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Das war Gießen 2013 - Gießener Allgemeine

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STADTGESPRÄCH<br />

eindeutige Filme über die Leinwand flimmern<br />

und ein Gynäkologenstuhl seinen Platz<br />

behauptet, baumeln im Saal Gummipuppen<br />

von der Decke.<br />

Provokationen, Tabus<br />

und große Namen<br />

Provokation und Tabuthemen gehören zur<br />

»sch<strong>war</strong>zen Szene« eben genauso dazu wie<br />

die entsprechende Musik und die damit<br />

einhergehende außergewöhnliche Mode –<br />

von Rüschen über Korsagen und Nietengürtel<br />

bis hin zur schweren Lederkluft und pechsch<strong>war</strong>z<br />

gefärbten Haaren ist dabei die<br />

gesamte Bandbreite vertreten, die man als<br />

Nicht-Insider ansonsten nur aus Katalogen<br />

von einschlägigen Labels kennt.<br />

Besonderheit der »E-Porn«: Mit der Partyreihe<br />

versucht Andypendent, den Besuchern immer<br />

eine Mischung aus Party und Live-Konzert<br />

zu bieten; denn im Laufe des Abends tritt<br />

neben den verschiedenen Discjockeys auf<br />

den unterschiedlichen Ebenen (Softcore-,<br />

Hardcore- und Dark Floor) auch immer mindestens<br />

eine Liveband auf. Dabei ist es Andypendent<br />

gelungen, auch große Namen der<br />

Szene in den Muk-Bunker zu bekommen:<br />

Neben Agonize, Dive, Patenbrigade Wolff<br />

<strong>war</strong>en auch schon Eisenfunk zu Gast sowie<br />

Projekte von in der Szene bekannten Größen<br />

wie etwa dem Belgier Len Lemeire. Wichtig<br />

ist Andypendent bei der Auswahl der Bands,<br />

dass die Musik tanzbar ist und die Musiker<br />

keine Starallüren an den Tag legen. Maximales<br />

Erlebnis zum niedrigen Eintrittspreis, das<br />

möchte er seinen Gästen bieten. Doch nicht<br />

nur Live- und DJ-Musik gab es in der Vergangenheit<br />

bei der »E-Porn«. Auch Performances<br />

und Fotoausstellungen wurden bereits umgesetzt,<br />

außerdem gibt es an jeder Party ganz<br />

festivalmäßig Verkaufsstände, die neben CDs<br />

mit einschlägiger Musik auch verschiedenste<br />

Accessoires anbieten. Frank Niggenaber, 44,<br />

aus Bad Nauheim, kennt die »E-Porn« schon<br />

seit vielen Jahren; seit sechs Jahren besucht<br />

er die Reihe regelmäßig. Er erinnert sich an<br />

eine ganz besondere Geschichte, über die er<br />

heute noch lachen muss. Ein Verkaufsstand<br />

auf der Party bot regelmäßig die in Szene-<br />

Kreisen bekannte Haarfärbecreme von<br />

»Direction« an. »Es <strong>war</strong>en feierwütige Besucher<br />

da, die nicht der Szene angehörten«,<br />

erinnert er sich. »Die haben die Dose aufgemacht,<br />

konnten in ihrem angetrunkenen<br />

Kopf damit nichts anfangen und haben angefangen,<br />

sich damit einzucremen – an den<br />

Armen, im Gesicht, den freien Oberkörper.«<br />

Die Farbe dringt tief in die Poren ein, es<br />

dauert also eine ganze Weile, bis man sie<br />

wieder abwaschen kann. »Ich stelle mir vor,<br />

wie die am Montagmorgen ins Büro sind«,<br />

sagt Niggenaber und lacht. Er selbst beschreibt<br />

die Partyreihe als »großes Wohnzimmer«.<br />

Man kenne fast jeden. »Es ist wie<br />

eine große Familie und man findet schnell<br />

Anschluss.«<br />

Dennoch: Gemäß Andypendents Ziel, die<br />

Party auch Szenefremden zugänglich zu machen,<br />

ist hier jeder willkommen. Wer sich<br />

allerdings an den expliziten Inhalten und<br />

dem extravaganten Aussehen der Besucher<br />

stört, der sollte lieber wegbleiben, denn<br />

»Anderssein« ist hier an der Tagesordnung.<br />

<strong>Das</strong> Einzugsgebiet ist weitläufig: Die Gäste<br />

kommen regelmäßig nicht nur aus Mittelhessen,<br />

sondern auch aus Frankfurt, Koblenz<br />

oder gar Köln. Ansonsten falle es schwer,<br />

die Partyreihe wirklich zu beschreiben.<br />

»Die Party mit dem gewissen Etwas«, sagt<br />

Niggenaber, »provokant anders, ein bisschen<br />

verrucht. Elektronisch ›pornös‹ eben. Ob die<br />

Geschichten stimmen, die so erzählt werden,<br />

was zu später Stunden in den Nischen des<br />

Kellergeschosses und rund um den Gynäkologenstuhl<br />

so vor sich gehen soll, oder ob es<br />

sich dabei um Legenden handelt, wird nicht<br />

verraten. Die »E-Porn« muss man einfach<br />

selbst erlebt haben.<br />

Sabine Glinke<br />

3 Fragen<br />

Erzählen Sie uns von der Idee die<br />

»Electronic Porn« entstehen zu lassen.<br />

Was <strong>war</strong> der Hintergrund?<br />

DJ Andypendent: Der Hintergrund <strong>war</strong>,<br />

auch Nicht-Insidern die Möglichkeit zu<br />

geben, einmal in die Musik der Szene<br />

hineinzuschnuppern. Deswegen verzichten<br />

wir auch auf den in anderen<br />

Läden üblichen Dresscode. Außerdem<br />

wollte ich versuchen, dem Publikum<br />

bei so niedrigem Eintritt wie möglich<br />

das maximale Party- und Live-Konzerterlebnis<br />

zu bieten. Da das Ganze für<br />

mich nur Hobby ist, steht der finanzielle<br />

Aspekt ganz am Ende.<br />

Warum fiel die Wahl des Veranstaltungsortes<br />

auf das MuK?<br />

DJ Andypendent: Ich bin als DJ vor 15<br />

Jahren mit dem Laden groß geworden<br />

und die verschiedenen Ebenen bieten<br />

sich dafür perfekt an. Damals gab es in<br />

Mittelhessen auch noch keine andere<br />

Party mit einem solchen Rahmen.<br />

Gibt es langjährige Wegbegleiter<br />

der »E-Porn«?<br />

DJ Andypendent: Es gibt echte Hardcore-Fans,<br />

die jeden einzelnen Flyer<br />

gesammelt haben und die bei nahezu<br />

jeder Party dabei <strong>war</strong>en. Am längsten<br />

sind aber wohl die Mitglieder vom<br />

Muk dabei. Aber was bleibt denen<br />

auch anderes übrig? Die müssen da<br />

durch!<br />

sag<br />

Sch<strong>war</strong>ze Szene …<br />

Die sch<strong>war</strong>ze Szene entwickelte sich seit den späten 1980ern aus der Anhängerschaft<br />

des Dark Wave als soziokulturelles Milieu. Gemeinsamkeit bildet ein ästhetisches,<br />

selbstdarstellerisches und individualistisches Konzept. Hierbei ist die »Szene« nicht<br />

als homogene, in sich geschlossene Gruppe zu verstehen, sondern als ein Umfeld, in<br />

dem sich Menschen ähnlicher Interessen und Vorlieben bewegen. Als kleinster gemeinsamer<br />

Nenner der Szene wird die Farbe Sch<strong>war</strong>z mit all ihren Symbolwerten<br />

gesehen. Zu den gemeinsamen Interessen der Szene zählen Musik, Kunst und Mode<br />

sowie die Auseinandersetzung mit philosophischen oder von der Durchschnittsgesellschaft<br />

als negativ wahrgenommenen Themen- und Tabubereichen. Dazu gehört in<br />

Teilen auch die Über lagerung mit der BDSM-Szene. (Quelle: Wikipedia)<br />

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