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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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Willentliche Selbstautomatisierung 91<br />

„nicht er selbst" sein. <strong>Die</strong> Formel ist uns bekannt. Mit ihr hatten<br />

wir in unserem Scham-Exkurs die zweideutige Identität <strong>des</strong> sich<br />

Schämenden umschrieben. Daß sie schon hier: bei der Schilderung<br />

der ersten Familiarisierung <strong>des</strong> Arbeitenden mit dem Maschinengange,<br />

auftaucht, ist natürlich kein Zufall. Wirklich befinden wir<br />

uns schon im Umkreis <strong>des</strong> Scham-Problems. Mitten in diesem aber,<br />

wenn wir uns Rechenschaft über die Selbstbegegnung ablegen, in<br />

der diese Zweideutigkeit akut wird.<br />

<strong>Die</strong> Beantwortung der Frage macht nur dann Schwierigkeiten,<br />

wenn wir glauben, wir müßten hier einem ausdrücklichen theoretischen<br />

Akt der Reflexion auf die Spur kommen. Nach einem<br />

solchen Akt zu suchen, wäre allerdings vergeblich. Vielmehr findet<br />

die Selbstbegegnung im Vollzug der Maschinenbedienung selbst<br />

statt, als ein Moment der Arbeit selbst; oder, wenn man den Ausdruck<br />

,Moment' zeitlich versteht, in einem bestimmten Augenblicke<br />

der Arbeit selbst.<br />

Unterstellen wir, die Einspielung sei geglückt. Solange die maschinelle<br />

Arbeit glatt, das heißt; ohne Reibung zwischen Mensch<br />

und Maschine abläuft; solange der Arbeitende als „Konvertit",<br />

als ,Rad', linientreu mitfunktioniert, solange ist das Ich gar nicht<br />

,bei sich', solange ist es überhaupt nicht, jedenfalls nicht als Ich.*<br />

Erst in demjenigen Moment, da der Konformismus etwas zu wünschen<br />

übrig läßt, oder da die Arbeit schlagartig mißlingt, kommt<br />

das Ich ,zu sich', erst dann begegnet es sich: nämlich als etwas<br />

Anstößiges: als Versager.<br />

Das heißt: Es fällt sich nur <strong>des</strong>halb auf, weil es herausfällt (aus<br />

dem „Apparat-Es" und seinem konformistischen Dasein); es begegnet<br />

sich nur <strong>des</strong>halb, weil es als Gegenkraft, als Widerpart, <strong>des</strong><br />

Geräts sichtbar wird; seine Individualität zeichnet sich nur <strong>des</strong>halb<br />

ab, weil sie (nach berühmter Formel) eine ,negatio' ist. Noch<br />

deutlicher: Nicht <strong>des</strong>halb-, weil es Selbstbegegnung gibt, wird<br />

»Identitätsstörung" erfahren; umgekehrt tritt Selbstbegegnung<br />

nur <strong>des</strong>halb ein, weil es Störung gibt.<br />

Aber wer begegnet hier nun wem'?<br />

Gewiß: Das Ich — dem Ich. Aber genügt diese Antwort?

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