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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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90 Über prometheische Scham<br />

alltäglich ist, bleibt die Antinomie, die diese Einarbeitungsaufgabe<br />

darstellt, gewöhnlich unbekannt. Aber wenn man es sich klar<br />

macht, daß der Arbeitende sich aufs Konzentrierteste zu bemühen<br />

hat, in das Tempo und den Rhythmus der Maschine so hineinzugeraten,<br />

daß er mühelos arbeite; daß von ihm verlangt wird, daß<br />

er in wachster Selbstkontrolle einen Automatismus in Gang bringe;<br />

daß er sich zusammennehmen soll, um nicht als er selbst zu funktionieren,<br />

dann wird man wohl zugeben, daß die Aufgabe paradox<br />

ist. <strong>Die</strong> üblichen Ausdrücke „Anpassung" und „Übung"<br />

nennen die Operation nur; die paradoxe Zumutung an den Handelnden:<br />

sich als Handelnden auszulöschen, seine Handlung in<br />

einen bloßen (dazu noch heteronomen) automatischen Vorgang zu<br />

verwandeln; und selbst dann noch, wenn diese Verwandlung gelungen,<br />

diesen Automatismus skrupelhaft unter Kontrolle zu halten<br />

— diesen Widerspruch lassen die Ausdrücke im Dunkel. Auch<br />

der Hinweis darauf, daß schließlich jede gerät-angemessene Aktion,<br />

gleich ob Hämmern oder Geigen, eine „Anpassung" erfordere und<br />

doch gewiß nichts <strong>Menschen</strong>unwürdiges, beweist nichts gegen die<br />

Paradoxie der Aufgabe. Zwar, sich einzuspielen, wird auch vom<br />

Geiger verlangt; und seinen Bogenstrich so einrichten, wie sein Instrument<br />

und der Gang der Musik es erfordern, und selbst dafür<br />

sorgen, daß ihm das ,natürlich' werde, das muß er auch. Aber im<br />

Vergleich zu der Einspielungsaufgabe <strong>des</strong> Arbeiters ist seine Aufgabe<br />

doch durchaus human und insofern frei von jedem Widerspruch,<br />

als er übend unzweideutig aktiv bleiben darf, da er ja sein<br />

Instrument in ein Stück seines (als Ausdrucksfeld erweiterten) eigenen<br />

Leibes verwandelt und es als ein neues Organ seinem Organismus<br />

einverleibt; während die Einspielungsleistung <strong>des</strong> Arbeiters<br />

— die glatte Umkehrung dieser Aufgabe — darin besteht, daß er<br />

sich selbst zum Organ <strong>des</strong> Gerätes mache; daß er sich vom Gange<br />

der Maschine einverleiben lasse; daß er es dahin bringe, einverleibt<br />

zu werden — kurz: daß er aktiv seine eigene Passivisierung<br />

in die Hand nehme und durchführe. <strong>Die</strong> Paradoxie der Zumutung<br />

ist unbestreitbar.<br />

In anderen Worten: Da er unter Aufbietung aller Konzentrationskräfte<br />

zu versuchen hat, statt selbst Zentrum zu sein, sein<br />

Zentrum ins Gerät zu verlegen, muß er zugleich „er selbst" und

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