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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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Rehabilitierung der Metapher 77<br />

auf Grund wirklicher methodischer Besinnung auf das Wesen ihrer<br />

Gegenstände, als, eingeschüchtert durch die Strenge und die von<br />

ihnen anerkannte Autorität ihrer größeren Schwestern: der Naturwissenschaften.<br />

Womit sie sich ins Unrecht setzen. Denn das Wesen<br />

ihrer, der seelischen, Gegenstände, ist ohne deren Sprachlichkeit<br />

ganz wesenlos: die Art, wie eine seelische Realität von der Seele<br />

bezeichnet wird, gehört zum Wesen dieser Realität selbst. Wenn<br />

sich die schwermütige Seele als „schwer" bezeichnet, wenn sie sich<br />

in diesem Worte wiedererkennt, wenn sie sich mit <strong>des</strong>sen Hilfe<br />

dem Mitmenschen verständlich macht, dann ist das ein Beweis,<br />

daß sich der „Mut" der Schwermut effektiv als „schwer" empfindet.<br />

Der Gedanke, in dem Ausdruck nichts anderes zu sehen als<br />

eine, von einer Realität anderer Provenienz abgelöste und nun der<br />

Schwermut aufgeklebte Etikette, geht von der unausgesprochenen<br />

Voraussetzung aus, daß die Seele ihre Ausdrücke auf die gleiche<br />

Weise erfinde wie die Industrie die Namen für ihre Markenartikel.<br />

<strong>Die</strong> Bezeichnung ist vielmehr ein reelles Stück der Schwermut<br />

selbst. Und gäbe man selbst zu, daß es sich um abgelöste und aufgeklebte<br />

Etiketten handelte — die Tatsache, daß die Seele gerade<br />

zu dieser und zu keiner anderen Etikette griffe, um ihren eigenen<br />

Zustand zu charakterisieren, würde ja beweisen, daß sie sich tatsächlich<br />

in ihm wiedererkennt.<br />

Anders ausgedrückt: das Mißtrauen gegen Metaphern beruht<br />

auf dem als selbstverständlich gültig anerkannten Irrtum, daß die<br />

verschiedenen Erlebnisprovinzen autonom und hermetisch voneinander<br />

abgesperrt seien; und daß der kleine Grenzverkehr zwischen<br />

diesen Provinzen, min<strong>des</strong>tens den Befugten, nämlich den<br />

Wissenschaftlern, verboten sei. Nachzuweisen, daß eine solche<br />

Psychologie absurd ist, daß die angeblich aus fremden Provinzen<br />

importierten Ausdrücke ohne weiteres verstanden werden, erübrigt<br />

sich ja. Umgekehrt ist eben durch die Tatsache, daß die angeblich<br />

aus fremden Provinzen importierten Ausdrücke ohne weiteres verstanden<br />

werden, gerade bewiesen, daß die Grenzen weit offen steten.<br />

Im Alltagsleben kann ja auch der Wissenschaftler keinen<br />

Augenblick ohne die von ihm diskreditierten Metaphern auskommen;<br />

und daß diese min<strong>des</strong>tens die Ersatzfunktion, uns über Erscheinungen,<br />

die sich „unmetaphorischer" Formulierung wider-

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