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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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58 Über prometheische Scham<br />

nen Weg machen und weiterglänzen kann, wenn sein Modell nicht<br />

mehr existiert, kann auch das smiling <strong>des</strong> Stars auch dann noch<br />

weiterleuchten, wenn das Modell einmal den Weg „alles Fleisches"<br />

gegangen sein wird. In gewissem Sinne ist ja die Starschauspielerin<br />

sogar schon „bei Lebzeiten unsterblich" („immortal Garbo") und<br />

vom Wege alles Fleisches unabhängig: Da die Mehrzahl ihrer<br />

pictures die verewigte Version ihres eigentlichen (d. h.: kommerziell<br />

allein gültigen) göttinnenhaften und runzellosen Jugendalters<br />

darstellt, ist sie jünger als sie selbst; und der Weg ihres effektiven<br />

Fleisches ein ungültiger und am Besten schamhaft zu verbergender<br />

Vorgang. Hier entsteht ein neuer Typus von „Privatheit";<br />

die „Hollywood-Privatheit", unter die all das fällt, was der<br />

Galligkeit der Bilder abträglich werden könnte. —<br />

Und trotzdem: letztlich ist, verglichen mit der wirklich multiplen<br />

Existenz, die unsere Massenprodukte genießen, unsere Multiplikation<br />

durch Bilder doch nur ein Als-ob; und die Befriedigung, die<br />

sie uns gewährt, trotz unseres ikonomanischen Hochbetriebs, doch<br />

nur eine Ersatzbefriedigung. Der Unterschied zwischen effektiven<br />

Exemplaren und bloßen Kopien, die Tatsache, daß wir uns damit<br />

abfinden müssen, uns in Form von Photos zu vervielfachen, während<br />

es den Produkten vergönnt ist, sich als wirkliche identische<br />

Stücke über die Welt zu verstreuen, ist nicht aus der Welt zu schaffen.<br />

Vollständig wird also die Scham <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> vor seinen<br />

„besseren Dingen" durch seine Bilder doch nicht ausgelöscht.<br />

Heißt das also — wird man fragen — daß sich der Mensch in<br />

seinem tiefsten Wunschtraum als wirkliches Massenprodukt sehe?<br />

Daß er positiv begehre, als Massenprodukt zu leben?<br />

<strong>Die</strong>se Frage eindeutig und entschieden zu bejahen, ist unmöglich.<br />

Und zwar aus dem gleichen Grunde, aus dem es unmöglich<br />

wäre, von uns <strong>Menschen</strong> zu behaupten, wir wünschten uns positiv<br />

Ewigkeit — im Sinne von ,sempiternitas', nicht von ,aeternitas -<br />

In unserer To<strong>des</strong>angst und in unserer Abwehr <strong>des</strong> To<strong>des</strong> Beweisstücke<br />

für diesen Wunsch zu sehen, läge ja sehr nahe. Aber diese<br />

Begründung wäre verfehlt. Daß wir nicht sterben wollen, ist zwar<br />

wahr; unwahr dagegen, daß wir positiv weiter und immer weiter

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