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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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56 Über prometheische Scham<br />

sein — kurz: als einen Defekt und einen Makel, <strong>des</strong>sen er sich,<br />

schämt. Entscheidend ist also die „Malaise der Einzigkeit".<br />

Gibt man dieser „Malaise der Einzigkeit" den banalen, einem<br />

Schlager nachgebildeten, Wortlaut: „Mich gibt's nur einmal, ich<br />

komm nicht wieder", dann wird sofort deutlich, daß sie aufs Engste<br />

mit der To<strong>des</strong>angst zusammenhängt. Was ja plausibel ist:<br />

Denn wenn, wie wir vorhin gesehen haben, Serienprodukte durch<br />

ihre Ersetzbarkeit „Todlosigkeit" gewonnen haben; und wenn der<br />

Mensch von Serienexistenz und Ersetzbarkeit ausgeschlossen ist,<br />

dann ist er eben auch von der Todlosigkeit ausgeschlossen. <strong>Die</strong> Erfahrung,<br />

daß er keine Serienware ist, wirkt also als ein Memento<br />

§ 9<br />

Der Mensch versucht, der zweiten Kalamität zu entgehen,<br />

und zwar durch „Ikonomanie"<br />

Es gibt nun ein geradezu überwältigen<strong>des</strong> Zeugnis dafür, wie<br />

allgemein dieses Gefühl der Benachteiligung, dieser „Malaise der<br />

Einzigkeit", heute ist: nämlich die heute herrschende Bildsucht,<br />

die „Ikonomanie".<br />

Daß diese Sucht, was Ausmaß und Intensität angeht, eine in<br />

der Geschichte der Menschheit erstmalige Erscheinung darstellt;<br />

und daß sie alle anderen heute außerdem herrschenden Süchte<br />

weit hinter sich gelassen hat, ist ja wohl unbestreitbar. In der<br />

Tat ist sie ein Schlüsselphänomen, ohne <strong>des</strong>sen Verwendung keine<br />

Theorie unseres Zeitalters möglich wäre. Und da allein ein neuer<br />

Ausdruck sichtbar machen kann, daß es sich um einen Begriff von<br />

philosophischer Tragweite handelt, prägen wir eben den Terminus<br />

„Ikonomanie".<br />

Es gibt eine utopische, einem nicht-irdischen Reporter in den<br />

Mund gelegte Beschreibung unserer Welt, in der es heißt, die<br />

<strong>Menschen</strong>welt sei in erster Linie offenbar „Gefäß und Gelegenheit<br />

möglicher Bilder. Zuweilen war ich sogar versucht, zu glauben,<br />

sie erschöpfe sich in dieser Funktion. Jedenfalls ist die Rolle der

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