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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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Malaise der Einzigkeit 55<br />

als Arbeitsgeräte, als Konsumenten oder als Opfer anderer Art einsetzen<br />

und verwenden, ist diese Ersetzbarkeit eine unbestreitbare<br />

Tatsache. Und nicht nur eine Tatsache ist sie, sondern eine, die<br />

in 3er öffentlichen Meinung täglich ihre Bestätigung findet, ja<br />

von den Wissenschaftlern ausdrücklich gutgeheißen wird: denn<br />

selbst die Sozialpsychologen und -ethiker haben ja nichts Wichtigeres<br />

zu tun als „Adaptiertheit" und „Unauffälligkeit" zu idealisieren;<br />

bzw. jeden, der auf einem Rudiment von Selbstheit und<br />

auf einem Rest von personaler Differenz insistiert, als einen<br />

„crank", also einen pathologischen Sonderling, hinzustellen.*<br />

Daß aus der Perspektive der (die Individuen verwendenden) Einrichtungen<br />

unsere Verwandlung in reproduzierbare Serienprodukte<br />

bereits gelungen ist, daß (da jeder eben nur sein Platz und sein<br />

Handgriff ist) „spare men" stets zur Verfügung stehen, wird also<br />

nicht geleugnet. Aber wahr ist diese Feststellung doch eben nur<br />

aus dieser Perspektive. Nicht aus der der Einzelnen selbst. Zeuge<br />

dafür ist ja z. B. unser Patient, der sich nicht etwa über seine Ersetzbarkeit<br />

beklagt hatte, sondern eben über seine Unersetzbarkeit.<br />

Und wie ihm geht es nun jedem von uns, jedem Einzelnen: wie<br />

ersetzbar meine Leistung im Betrieb auch sein mag; wie sicher verbürgt<br />

die lückenlose Fortsetzung meiner Funktionen — ich selbst,<br />

meine Identität als XY, kann durch Ersatzmänner nicht fortgeführt<br />

werden. Mag auch das „ich bin ich", das mein Ersatzmann aussprechen<br />

wird, mit dem meinem wörtlich übereinstimmen, es wird<br />

sich nun auf ein anderes Ich beziehen, eben auf seines; und mein<br />

eigenes Ich wird unersetzt und unersetzbar zurückbleiben.<br />

Wer hier nicht genau achtgibt, kann die Pointe, auf die es dabei<br />

ankommt, leicht verfehlen. Daß jeder Einzelne als Einzelner, je<strong>des</strong><br />

Individuum als Individuum, unersetzbar („unersetzlich wertvoll")<br />

sei, war ja schließlich das Credo jeder Humanität gewesen,<br />

Es könnte also so klingen, als sprächen wir hier von einem Humanitätsrudiment<br />

oder von dem Rest einer Humanitätserfahrung.<br />

Das Gegenteil ist der Fall. Denn entscheidend ist hier eben, wie<br />

der Einzelne seiner eigenen Unersetzbarkeit gegenübersteht; als<br />

was er sie empfindet. Also die Tatsache, daß er sie als eine un-<br />

Benachteiligung bewertet; als ein Attribut, gegen das er<br />

sträubt, obwohl er nicht bestreiten kann, mit ihm identisch zu

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