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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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40 Über prometheische Scham<br />

hineingeschmeichelt oder -terrorisiert wird, doch immer noch der<br />

Mensch..<br />

In der Zerstörung dieses Scheins besteht nun der neue Perversions-Schritt.<br />

Offen und schamlos tritt nun das Gerat mit dem Anspruch<br />

auf, Subjekt der Nachfrage zu sein; mit dem Verlangen,<br />

daß ihm dasjenige geboten werde, was es benotigt; daß also der<br />

Mensch (da er ja, so wie er ist, kein für das Gerät akzeptables Angebot<br />

darstellt) sich anstrenge, mit immer besseren Offerten aufzutreten;<br />

also dasjenige zu bieten, was das Gerät benötigt, um so<br />

zu funktionieren, wie es funktionieren könnte- <strong>Die</strong>ses „könnte"<br />

aber ist kein unverbindlicher Konjunktiv, sondern identisch mit<br />

dem technisch „Falligen"; und dieser Ausdruck „fällig" schillert<br />

bereits ins Obligatousche hinüber.<br />

Ins Obligatorische. Das heißt: auch die moralische Forderung ist<br />

nun aus dem <strong>Menschen</strong> ins Gerat transferiert. Das „Fällige" gilt<br />

nun als das „Gesollte". <strong>Die</strong> Maxime „Werde der du bist" ist als<br />

Maxime der Geräte anerkannt; und die Aufgabe <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong><br />

beschrankt sich nun darauf, durch Angebot, Zubereitung und Bereitstellung<br />

seines Leibes das Gelingen dieser Maxime zu verbürgen.<br />

Vor einem <strong>Menschen</strong>alter hatte es (namentlich in der Pädagogik<br />

und der Eignungspsychologie) zahlreiche Leitsat/e gegeben (z. B.:<br />

„freie Bahn dem Tüchtigen"), die durchweg besagt hatten, daß<br />

die „Anlagen" eines <strong>Menschen</strong> eo ipso sakrosankt, deren optimale<br />

Ausbildung und Ausnutzung moralisch geboten, deren Vernachlässigung<br />

oder Unterdrückung unmoralisch seien. Was damals vom<br />

<strong>Menschen</strong> gegolten hatte, gilt heute vom Gerat: <strong>des</strong>sen „Anlagen"<br />

zu fördern, ihm „freie Bahn" zu scharfen, ist Pflicht; <strong>des</strong>sen Anlagen<br />

zu unterdrücken eine unmoralische Tat. <strong>Die</strong> Geräte sind die<br />

„Begabten“ von heute. Und selbst die inhaerenten Anlagen <strong>des</strong><br />

"Wunderkin<strong>des</strong> unter diesen Geraten, der H-Bombe, gelten als sakrosankt:<br />

wie verschieden sich die diversen Apologien der Bombe<br />

auch tarnen mögen — ein guter Teil der Vehemenz, mit der man<br />

Proteste gegen die Bombe abweist, entstammt der Indignation darüber,<br />

daß es <strong>Menschen</strong> gibt, die es sich herausnehmen, das „Werde<br />

der du bist", die „organische Entwicklung" der Anlagen <strong>des</strong> Gerätes<br />

im Keime ersticken und die „freie Bahn" blockieren zu wol-

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