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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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34 Über prometheische Scham<br />

den <strong>Menschen</strong> eine ,faulty construction' genannt hatte. Seine Redensart<br />

war weit mehr als ein bon mot gewesen. Denn wenn wir<br />

unterstellen — was zu bezweifeln wir keine Ursache haben — daß<br />

ihm die Zukunftsaufgaben der Technik am Herzen liegen, dann<br />

waren seine Worte von ernstester Sorge diktiert: von der Sorge<br />

nämlich, unser Leib werde, wenn diese Kluft zwischen ihm und<br />

unseren Produkten sich verbreitere oder auch nur konstant bleibe,<br />

alle unsere (aus neuen Geräten sich als fällig ergebenden) neuen<br />

Projekte bedrohen und eines nach dem anderen zum Scheitern<br />

bringen.<br />

„An sich", könnte der Instruktor nämlich argumentieren, „also<br />

wenn es allein auf die Geräte ankäme, könnten wir so oder so hoch<br />

fliegen — aber dieses ,an sich' gilt nicht, wir können es doch nicht,<br />

weil wir es nicht aushielten, weil unser Leib streiken würde; ,an<br />

sich könnten wir diesen oder jenen Planeten erreichen — aber wir<br />

stehen uns eben im Wege, wir bestehen eben die Zerreißprobe nicht;<br />

und sofern er etwas von griechischer Mythologie gehört haben<br />

sollte, könnte er schließen: „Nicht weil das Flügelwachs versagt,<br />

stürzt heute Ikarus, sondern weil Ikarus selbst versagt. Könnte er<br />

sich selbst als Ballast abwerfen, seine Flügel könnten den Himmel<br />

erobern." So oder so ähnlich könnte er argumentieren.<br />

Nicht die schlechteste Definition <strong>des</strong> Zeitgenossen wäre <strong>des</strong>halb —<br />

und unser Instruktor würde sie gewiß unterschreiben: — „Der<br />

Mensch ist der Saboteur seiner eigenen Leistungen." „Saboteur"<br />

natürlich nicht <strong>des</strong>halb, weil er seinen eigenen Produkten mutwillig<br />

etwas antäte (denn trotz aller Vernichtungswaffen liegt ihm ja<br />

nichts ferner als das, und selbstloser als unser Zeitgenosse seinen<br />

Geräten gegenüber ist ja der Mensch keinem Wesen gegenüber jemals<br />

gewesen) sondern eben, weil er, der „Lebendige", starr und<br />

„unfrei" ist; die „toten Dinge" dagegen dynamisch und „frei"<br />

sind; weil er, als Naturprodukt, als Geborener, als Leib, zu eindeutig<br />

definiert ist, als daß er die Veränderungen seiner, aller<br />

Selbstdefinierung spottenden, täglich wechselnden, Gerätewelt mitmachen<br />

könnte. Sorgenvoll, beschämt und mit schlechtem Gewissen<br />

blickt er daher auf seine hochtalentierten Kinder, deren Zukunft<br />

er zu ruinieren fürchtet, weil er sie weder ohne jede Begleitung<br />

auf Karriere schicken noch sie begleiten kann. Und oft geschieht

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