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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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28 Über prometheische Scham<br />

einfach überwältigend ist: die Ladenstraße ist ja die permanente<br />

Ausstellung <strong>des</strong>sen, was man nicht hat. —<br />

Was aber den Mann betrifft, der zum ersten Male mit einer arbeitenden<br />

Computing machine konfrontiert ist, so liegt ihm Stolz<br />

oder Selbstherrlichkeit noch ferner. Der Zuschauer, der in den Ausruf<br />

ausbräche: „Donnerwetter, sind wir Kerls, daß wir das machen<br />

konnten!" ist einfach ein erfundener Hanswurst. Vielmehr<br />

flüstert er kopfschüttelnd: „Mein Gott, was die kann!" (nämlich<br />

die Maschine); und fühlt sich dabei in seiner kreatürlichen Haut<br />

höchst ungemütlich: denn halb gruselt's ihn; und halb ist er beschämt.<br />

—<br />

Zweiter Einwand: „Das Auftreten dieser prometheischen Scham<br />

habe ich niemals beobachten können."<br />

Entgegnung: Sehr wohl möglich. Direkt in flagranti ertappen<br />

läßt sie sich nur selten. Zumeist muß man sie (sofern der von den<br />

Produkten Beschämte sie nicht in sich selbst feststellt) mittelbar<br />

aus Benehmens weisen erdeuten. Und zwar aus folgenden Gründen,<br />

die mit dem Wesen von „Scham" zusammenhängen.<br />

I. <strong>Die</strong> uns bekanntesten Spielarten von Scham (z. B. die der Geschlechtsscham)<br />

werden zwischen Mensch und Mensch akut; und<br />

werden sichtbar (als Kommunikationssperrungen) in dieser Konfrontierung.<br />

— Bei der „prometheischen Scham" handelt es sich<br />

dagegen um eine im Verkehr zwischen Mensch und Ding auftretende<br />

Scham. Da der Mensch als Partner, vor dem man sich<br />

schämt, fehlt, fehlt er zumeist auch als Beobachter. —<br />

II. Scham „tritt" überhaupt nicht „auf". Denn wo sie „auftritt",<br />

tritt sie ja gerade nicht auf, sondern „zurück": Der sich-<br />

Schamende sucht ja seinen Makel und sich selbst zu verbergen. —<br />

Nun ist aber der sich-Schämende unfähig, seinen Wunsch (sich<br />

,in Grund und Boden' zu schämen, also vollständig zu verschwinden),<br />

restlos zu verwirklichen. Aus dieser scheiternden Scham ergeben<br />

sich zwei eigentümliche, wenn man will „dialektische", Folgen,<br />

die die „Unsichtbarkeit der Scham" verständlich machen:<br />

Erste Folge: Da der sich-Schämende b l e i b t , und da die Scham<br />

durch ihre Sichtbarkeit den Makel bloßstellt, tritt zu der Ursprung-

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