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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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350 Anmerkungen<br />

nung <strong>des</strong> Skrupels ist auch heute noch die Ausnahme. Grundaxiom<br />

ist und bleibt vorerst das „non olere" ; das heißt: das Axiom, daß keine<br />

Arbeit durch das, ivas sie erarbeitet, moralisch diskreditiert werde. Und<br />

dieses Axiom ist verhängnisvoll nicht nur <strong>des</strong>halb, weil es den furchtbarsten<br />

Verbrechen das Air <strong>des</strong> Arglosen verleiht, sondern weil es<br />

glatten Nihilismus darstellt: Wenn nämlich der größte Teil menschlichen<br />

Tuns — und Arbeiten macht ja den größten Teil aus — von<br />

vornherein dem Richterspruch der Moral entzogen ist, dann lauft das<br />

auf effektive Herrschaft <strong>des</strong> Nihilismus heraus.<br />

290 <strong>Die</strong> Automation ist ja umgekehrt die endgültige Ersetzung <strong>des</strong><br />

Gewissens durch die Gewissenhaftigkeit der mechanischen Funktion.<br />

299 ! Wenn wir heutigen Europäer das schließliche Ergebnis dieser<br />

Kollision als „rein asiatisch" bezeichnen, so beweist das nur, 'wie<br />

total unfähig wir sind, uns selbst in unseren Effekten wiederzuerkennen.<br />

299 ä <strong>Die</strong>se plötzliche Verstörung der russischen Intellektuellen <strong>des</strong><br />

19. Jahrhunderts war voraussichtlich nur das erste Vorspiel für analoge<br />

Verstorungen die noch ausstehen; das, durch diese Plötzlichkeit<br />

verursachte, in Form von „Nihilismus" auftretende Trauma nur ein<br />

Präzedenzfall: Viel zu selten macht man es sich klar, was es bedeutet,<br />

daß heute Millionen von Nichteuropaern, deren eigene Geistesgeschichte<br />

nicht den min<strong>des</strong>ten Hinweis auf einen naturalistischen<br />

Mensch- und Weltbegriff enthielt, über Nacht diesem Begriff exponiert<br />

werden; und daß für die Mehrzahl der heutigen <strong>Menschen</strong> die Epoche<br />

der Naturwissenschaften mit der Detonation der Atombombe begonnen<br />

hat.<br />

300 i Es ist höchst charakteristisch, daß selbst dort, wo der Nihilist<br />

die Überwindung <strong>des</strong> Nihilismus ankündigt, der Monismus sein<br />

Grunderlebnis bleibt: Wenn zum Beispiel Nietzsche diese Überwindung<br />

durch das Ja zur „ewigen Wiederkunft" zu vollziehen glaubt, so<br />

bedeutet dieses Einverständnis ja nichts anderes als eine Bejahung der<br />

Herrlichkeit <strong>des</strong> sinnlosen und kein „Soll" in sich bergenden Naturseins;<br />

was um so plausibler ist, als der Begriff der „ewigen Wiederkunft"<br />

offensichtlich unter dem Eindruck <strong>des</strong> physikalischen Seinsbegriffs<br />

und nach dem Modell der zum physikalischen Experiment gehörenden<br />

Wiederholbarkeit konzipiert ist. In dieses Sein sich einzuschalten;<br />

hineinzuspringen in den „großen Mittag" <strong>des</strong> sinnlos weiter und weiter<br />

Kreisenden, ist die gewalttatige Lösung, die Nietzsche vorschlägt;<br />

und die, sieht man von dem hymnischen Ton ab, eigentlich nichts<br />

anderes darstellt, als die Misere, die den Nihilisten sonst (weil er eben<br />

nicht abstreiten kann oder nicht abstreiten zu können glaubt, auch<br />

nur ein Stück dieser einen sinnlosen und ungesollten Welt zu sein)<br />

in Verzweiflung versetzt. Letztlich lauft Nietzsches Kurzschlußlosung

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