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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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Anmerkungen 349<br />

liches hat sich seitdem (bei Celme. Kafka, dem fiuhen Sartre) nicht geändert.<br />

Aber hatten diese Autoren auch, ihre Fortschrittshoffnung bereits<br />

aufgegeben, auf polemische Art hingen sie von dieser Hoffnung<br />

doch noch ab. Da sie sich nämlich eine Zukunft, die nicht „Fortschritt"<br />

war, nicht vorstellen konnten, glaubten sie nun, da sie an den Fortschritt<br />

nicht mehr glaubten, auch an keine Zukunft mehr. Mit der „besseren<br />

Zukunft" schütteten sie den Begriff der Zukunft überhaupt aus.<br />

<strong>Die</strong>se Verwandlung war charakteristisch für ein Geschlecht, das, dem<br />

f ortschritt glaub igen Bürgertum entstammend, das Vertrauen in den<br />

Aufstieg seiner Klasse verloren hatte. Weder in der christlichen noch<br />

in irgendeiner politischen Konzeption hat es eine solche Zukunftslosigkeit<br />

wie etwa die in der Godot Welt Becketts gegeben. Aber entscheidend<br />

ist, daß diese Zukunftslosigkeit nicht in Apokalypse-Erwartung<br />

umschlug, sondern die Gegenwart deutete als nunc stans der Holle.<br />

Auch Nihilisten sind apokalypse-blind.<br />

280 Wenn freilich jemand mit dem Faktum <strong>des</strong> Sterbens doch nicht<br />

fertig wird und die Fortschrittsphilosophie mit Fragen behelligt, dann<br />

versagt diese vollständig, und die sozialistische Variante der Fortschrittsphilosophie<br />

um nichts weniger als die bürgerliche. Aber allzu<br />

oft geschieht das nicht, da sie ja ihren Kindern, noch ehe diese auf den<br />

Gedanken kommen können, Fragen zu stellen, mit ihren optimistischen<br />

Antworten den Fragemund bereits gestopft hat. <strong>Die</strong> Macht einer<br />

Weltanschauung bewahrt sich ja nicht durch die Antworten, die sie zu<br />

geben weiß, sondern durch die Fragen, die sie abzudrosseln versteht.<br />

282 Das hat sich dort grundsätzlich geändert, wo der Begriff „Progreß"<br />

durch den „Projekt" abgelöst worden ist; also in Planwirtschaften.<br />

Dort ist die Zukunft zu einer Art von „Raum" geworden,<br />

nämlich zu demjenigen Räume, innerhalb <strong>des</strong>sen das Plan-Soll verwirklicht<br />

wird. Damit hat sich die Zeit aus einer „Form der Anschauung"<br />

in eine „Form der Produktion" verwandelt. <strong>Die</strong> klassischen<br />

Fragen, wie die, ob man die Zukunft „voraussehen" könne, sind dieser<br />

Zukunft gegenüber gegenstandslos geworden, da sie ja gerade<br />

nichts anderes ist als das Schema der Voraussicht. — Cum grano salis<br />

kann man sagen, daß der Begriff <strong>des</strong> Progreß zu dem der „Providenz",<br />

von dem er herkommt, damit zurückgekehrt ist. Nur handelt es sich<br />

diesmal eben um menschliche Providenz.<br />

289 Der Mitarbeiter, <strong>des</strong>sen Seele durch seine Mitarbeit beunruhigt<br />

ist, ist eine absolut neue Erscheinung, eine Figur, die es vor der Herstellung<br />

der Atombombe nicht gegeben hat Von einem Tag zum anderen<br />

kann dieser Typ sich nicht entwickeln. Der Oppenheimer-Fall<br />

bezeugt, daß (namentlich in Zeiten extremen Konformismus') der von<br />

Skrupeln geplagte Mann sich über die Tatsache seines Skrupels selbst<br />

noch einmai Skrupel macht, weil ihm dieser eben, als nicht gleich<br />

geschaltete» Gefühl, moralisch, dubios vorkommt. — Aber diese Erschei-

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