12.01.2014 Aufrufe

Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

348 Anmerkungen<br />

nicht, psychologische Neuigkeiten zu entdecken, sondern die Wurzeln<br />

unseres Versagens aufzufinden. Und sie nicht nur aufzufinden.<br />

269 Der Ausdruck „vorstellen" verliert hier eigentlich sein Recht,<br />

da er ja durch seine Vorsilbe „vor" eine Antizipation bezeichnet;<br />

meistens jene planende, die im alltaglichen Herstellen der Verwirklichung<br />

vorausgeht. Hier dagegen handelt es sich ja grade um die<br />

(gewissermaßen wider platonische) Situation, in der die verwirklichten<br />

Gegenstande und Situationen dem Eidos zuvorkommen; also<br />

in der sie da sind, noch ehe sie, ja ohne daß sie überhaupt in ihrer<br />

Große und in ihren Konsequenzen „vorgestellt" wären; so daß der<br />

Vorstellende nun eigentlich zum „Nachstellenden" wird, da er versucht,<br />

dem von ihm Gemachten und der unabsehbaren Macht, die er<br />

durch eigenes Machen hat oder ist, die ihm aber über den Kopf gewachsen<br />

ist, nachzukommen, um sich selbst gewachsen zu bleiben.<br />

272 Es ist höchst auffallig, daß jenes Vokabular, das der mit sich<br />

selbst im Streit liegende Mensch früher verwendet hatte, um sich zu<br />

formulieren, unmodern wird oder bereits geworden ist. Der Ausdruck<br />

„mit sich ringen" z. B., der noch vor einem <strong>Menschen</strong>alter selbstverständlich,<br />

auch bei der Jugend gelaufig gewesen war, klingt heute<br />

bereits verstaubt, pathetisch und unglaubhaft.<br />

274 Siehe S. 36ff.<br />

277 <strong>Die</strong> Behauptung, mit dem Fortschrittsglauben sei es „aus", ist<br />

viel zu pauschal. In den Vereinigten Staaten und in Rußland blüht er<br />

noch; und in den unterentwickelten Bevölkerungen beginnt er überhaupt<br />

erst seinen Siegeslauf. ~ Daß er sich fundamental wandelt, daß<br />

nämlich der Begriff <strong>des</strong> „Progresses" langsam in den <strong>des</strong> „Projektes"<br />

übergeht; also sein Element „eiserne Notwendigkeit" verliert, ist<br />

allerdings nicht abzuleugnen. — <strong>Die</strong> Prognose „Ende <strong>des</strong> Fortschnttshegriffes"<br />

war charakteristisch für das Europa <strong>des</strong> Zusammenbruches<br />

1946. — Global gesehen ist die Prognose falsch.<br />

278 Ehe noch unsere Ahnen den Gottesbegriff deistisch verdünnten,<br />

hatten sie den Teufel bereits in eine allegorische Figur verwandelt;<br />

ehe sie Gott als „tot" verkündeten, den Teufel bereits umgebracht;<br />

ehe sie den Himmel der Musik überließen, die Hölle schon zum<br />

Theaterort gemacht. In der Bildungsreligion unserer Eltern — selbst<br />

derer, die allem piononcierten Atheismus fernestanden, fehlte die<br />

Hullenangst bereits so vollständig, daß deren Fehlen schon nicht<br />

mehr bemerkt wurde.<br />

279 1 Wo aher im Bürgertum <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts der Glaube an den<br />

Fortschritt aufgegeben wurde, da erschien als Gegenstuck <strong>des</strong> „Besserwerdens"<br />

nicht etwa die Idee <strong>des</strong> „schlechten En<strong>des</strong>", sondern die Idee,<br />

daß die Gegenwart (naturlich in mehr oder minder metaphorischem<br />

Sinne) „die Halle" sei. Das galt bereits für Strindberg; und Grundsatz-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!