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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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Anmerkungen 343<br />

ten träumen lassen. — (Der Rükepassus zitiert nach: Erich Heller,<br />

„Enterbter Geist", Suhrkamp 1954)<br />

186 2 <strong>Die</strong>se Unterstellung ist nicht nur ganz unbegründet, sondern ein<br />

Authropomorphismus, der dadurch, daß er verkleidet auf tritt, nicht besser<br />

wird, sondern nur wunderlicher. Denn wunderlich ist es, wenn der<br />

„unbehauste" Mensch sein eigenes Schutz- und Wohnhedurfnis dem<br />

Sein seihst unterschiebt; wenn er sich weismacht, <strong>des</strong>halb weil er nicht<br />

mehr Gast <strong>des</strong> Seins ist, <strong>des</strong>sen Hirt oder Wirt sein, zu müssen. —<br />

Nein, ein „Haus" haben will stets und grundsatzlich nur das Einzelne,<br />

gleich ob Schnecke, Mensch oder Familie; nur das Abgeschnittene,<br />

das Individuelle — und zwar eben, ive.il es abgeschnitten ist, weil<br />

es in der Weite der Welt schutzlos, verloren, zu wenig zu Haus ist.<br />

Niemals also die Welt selber, von deren Sein zu schweigen. <strong>Die</strong> hat<br />

andere Sorgen als Wohnungssuche und -Findung; sofern sie Sorgen<br />

hat.<br />

1S9 Ein beträchtlicher Teil der abstrakten Malerei erfindet solche<br />

Engel <strong>des</strong> Industriezeitalters: eben leiblose Gebilde. <strong>Die</strong> Beliebtheit<br />

jener heutigen Zeichnungen, deren drahtige Konturen das Volumen<br />

<strong>des</strong> Dargestellten völlig leer lassen, bliebe, wenn diese Manier lediglich<br />

artistischer Spiellust entspränge, unbegreiflich<br />

192 Zu diesem Hinweis auf Plato siehe den ersten Aufsatz dieser<br />

Sammlung. — Schon heute wissen die Billeteure in den Vereinigten<br />

Staaten ein Lied davon zu singen, wieviel Hunderttausenden nichts<br />

mehr daran liegt, bei Box- oder Fußhallmatches wirklich dabei zu<br />

sein, weil den Originalgeschehnissen eben bereits etwas Unwirkliches<br />

anhaftet, weil sie für Ausstrahlung arrangiert sind und weil sie wie<br />

Ideen der Realisierung bedürfen, kurz: weil sie ihre ideale Realisierung<br />

in ihren besten Reproduktionen finden. Naturlich wird es immei<br />

Renner geben, die, voll Verachtung gegen die Kopien, auch weiterhin<br />

nur original blutige Nasen genießen werden; so wie es Kenner<br />

gibt die, voll Hohn gegen Reproduktionen, Giottos nur in Padua<br />

sehen können. Aber diese Snobs werden nur dazu dienen, um die<br />

Regel zu bestätigen.<br />

193 Der Ausdruck stammt aus der Grammophonindustrie, die hesser<br />

als jede andere zeigt, in welchem haarsträubenden Durcheinander sich<br />

heute das Verhältnis von „Original" und „Kopie" befindet. Dort gibt<br />

es nämlich erst einmal die sogenannte „Mutter-Matrize", die bereits<br />

eine Reproduktion einer Stimme ist, die ihrerseits eine Komposition<br />

reproduziert. <strong>Die</strong>se Reproduktion der Reproduktion gilt aber, wie der<br />

Ausdruck „Mutter-Matrize" (also „Mutter Mutter") beweist, im Vergleich<br />

zu den vor ihr abgeformten Tochter Matrizen als „Original".<br />

Aber diese Tochter-Matrize wird nun, obwohl Reproduktion dei Reproduktion<br />

der Reproduktion, selbst zur Haupt-Matrize; d. h. zur

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