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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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338 Anmerkungen<br />

trapper" = fangen, „trap" heißt: die Falle: man laßt also die Stiere<br />

m die Falle springen, man laßt sie „hereinfallen". Und zwar <strong>des</strong>halb,<br />

weil ihr Trieb, solange er sich im Rohzustand befunden hatte, mit<br />

äußerster Vergeudung, also höchst unrentabel, gearbeitet hatte; weil<br />

der animalische Reproduktionsvorgang aufs blamabelste hinter dem<br />

Reproduktionsideal der Industrie zurückgeblieben war; was er nun,<br />

da er abgefangen, „attrappe" ist, nicht mehr tut. <strong>Die</strong> Attrappe ist also<br />

eine Scheinivirklichkeit im <strong>Die</strong>nste der Warenerzeugung. In diesem<br />

Falle ein Schein-Fleisch im <strong>Die</strong>nste der Fleischindustrie. — Analog<br />

stehen nun die bisher „vergeudeten" Empfindungen der <strong>Menschen</strong> im<br />

<strong>Die</strong>nste der Industrie Und dort, wo die Gefühle, mangels Partner,<br />

verdorrt sind, erzeugt die Industrie, durch Herstellung von Partner<br />

Attrappen, neue Gefühle; weil sie weiß, daß diese Gefühle nun ihrer<br />

seits wiederum die Erzeugung neuer Attrappen verlangen, sie selbst<br />

also in. Gang halten werden. —<br />

152 * Freilich ist die Versuchung rein technischer Verbesserungsmöglich<br />

keiten zuweilen so unwiderstehlich, daß man sie durchfuhrt, obwohl<br />

man die gewünschte soziale Funktion dadurch um nichts steigert, ja<br />

dieser sogar Abbruch tut. — Andererseits aber haben große Industrien<br />

oft auch technische Verbesserungsvorschlage angekauft, um deren<br />

Durchführung zu drosseln <strong>Die</strong> Geschichte der Technik ist ja, obwohl<br />

sie von außen den Anblick einer hemmungslosen Entwicklung dar<br />

bietet, auch eine Geschichte von „Verdrängungen".<br />

152 ! Im Unterschied zum Großen, das von Longmus an Problem der<br />

Philosophie gewesen war, ist das „Kleine" fast durchwegs vernacb<br />

lassigt -worden. Eine seltene Ausnahme stellte der junge Burke dar,<br />

der, gewissermaßen Rokokomotive nachformulierend, das Kleine mir<br />

dem Schonen geradezu gleichsetzte. <strong>Die</strong>ser Gleichsetzung liegt die<br />

Erfahrung zugrunde: klein = ungefährlich = verfugbar = schutzlos<br />

== rührend = hübsch = unsere Freiheit nicht beschneidend. Offen<br />

sichtlich hat, da „Freiheit", min<strong>des</strong>tens modo negativo in ihrer Be<br />

Stimmung mit eingeht, diese „Schönheit" eine gewisse Affinität mit<br />

der bei Kant; was um so deutlicher ist, als für Kant ja das Große,<br />

nämlich das, alle menschliche Proportion überragende, ,.Erbabene"<br />

den Gegenbegriff zum „Schonen" darstellt — In der heutigen Ästhetik<br />

ist das Kleine, obwohl es als Hübsches, Niedliches oder Harmloses<br />

für einen großen Teil der Menschheit die einzige ästhetische Kategorie<br />

darstellt, kaum vorhanden<br />

157 <strong>Die</strong> heute so nachdrücklich vertretene These, die Verlegung der<br />

Wahrheit ins Urteil sei eo ipso eine Entstellung <strong>des</strong> Wahrheitsbegriffes,<br />

muß wohl in dem Augenblick eingeschränkt werden, in dem man<br />

unter „Urteil" wirklich das versteht, was es ursprunglich ist: eben<br />

Nachricht. Durch seine Nachrichtenfunktion, also dadurch, daß es den<br />

Abwesenden instandsetzt, «ich nach dem Abwesenden zu richten, d. h.:

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