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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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24 Über prometheiscke Scham<br />

erscheint als deren Grundgegenstand, also als der „Grundmakel"<br />

<strong>des</strong> sich-Schämenden, die Herkunft. T. schämt sich, geworden,<br />

statt gemacht zu sein, der Tatsache also, im Unterschied zu den<br />

tadellosen und bis ins Letzte durchkalkulierten Produkten, sein<br />

Dasein dem blinden und unkalkulierten, dem höchst altertümlichen<br />

Prozeß der Zeugung und der Geburt zu verdanken. Seine Schande<br />

besteht also in seinem „natum esse", in seiner niedrigen Geburt;<br />

die er (nicht anders als der Chronist religiöser Stifter) eben <strong>des</strong>haib<br />

als ,niedrig' bewertet, weil sie Geburt ist. Wenn er sich aber dieser<br />

seiner antiquierten Herkunft schämt, so natürlich auch <strong>des</strong> mangelhaften<br />

und unentrinnbaren Ergebnisses dieser Herkunft: seiner<br />

selbst*<br />

Übrigens war T. während der ganzen Führung stumm geblieben.<br />

Und erst lange, nachdem die Ausstellung hinter uns lag, hatte er<br />

seine Sprache wiedergefunden. Auch das scheint mir die Richtigkeit<br />

meiner Seh am-Hypothese zu bekräftigen: denn wenn sich<br />

Scham überhaupt äußert, dann ja gerade durch Selbstverbergung;<br />

je<strong>des</strong> sich-Äußern hatte der Scham jedenfalls widersprochen.<br />

13. März<br />

Zu T's Benehmen:<br />

Prometheischer Trotz besteht in der Weigerung, irgend etwas,<br />

sogar sich selbst, Anderen zu schulden; prometheischer Stolz darin,<br />

alles, sogar sich selbst, ausschließlich sich selbst zu verdanken. Reste<br />

dieser, für den selfmade man <strong>des</strong> neunzehnten Jahrhunderts so typischen,<br />

Haltung sind zwar auch heute noch lebendig; aber charakteristisch<br />

sind sie für uns wohl nicht mehr. Offenbar sind Attitüden<br />

und Gefühle anderer Art an deren Stelle getreten; Attitüden, die<br />

sich eben aus dem eigentümlichen Schicksal <strong>des</strong> Prometheismus ergeben<br />

haben:<br />

Denn dieser hat einen wirklich dialektischen Umschlag erfahren.<br />

Prometheus hat gewissermaßen zu triumphal gesiegt, so triumphal,<br />

daß er nun, konfrontiert mit seinem eigenen Werke, den Stolz, der<br />

ihm noch im vorigen Jahrhundert so selbstverständlich gewesen<br />

war, abzutun beginnt, um ihn durch das Gefühl eigener Minderwertigkeit<br />

und Jämmerlichkeit zu ersetzen. „Wer bin ich schon?'

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