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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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Unwiderlegbarkeit <strong>des</strong> Nihilismus 323<br />

dacht <strong>des</strong> Anachronismus wäre <strong>des</strong>halb falsch, weil diese Nihilisten<br />

die Formel gar nicht mit dem Anspruch einer Entdeckung aussprachen,<br />

jedenfalls nicht einer ersten, sondern allein, um festzustellen,<br />

daß in demjenigen Augenblicke, in dem auch die „Attrappe" in<br />

sich zusammensank, plötzlich noch einmal sichtbar wurde, daß es<br />

nichts zu sehen gab; daß der Platz hinter der Attrappe wirklich leer<br />

war; daß, was diese so lange angedeckt hatte, nun wirklich verschwunden<br />

war. Und auf Grund dieser Erfahrung „starb" Gott<br />

für die Enkel der Monisten und Atheisten eben zum zweiten Male.*<br />

V. Unwiderlegbarkeit <strong>des</strong> Nihilismus. — Wie wir wissen, lautet<br />

die Grundfrage <strong>des</strong> Nihilismus: „Warum sollen wir sollen?" oder:<br />

„Auf Grund wovon sollte es noch innerhalb eines Rahmens, der<br />

selbst unsanktioniert, im moralisch luftleeren Räume schwebt,<br />

moralische Verbindlichkeit geben?" — bzw. so würden seine Fragen<br />

lauten, wenn sich der Notstand, den der Nihilismus darstellt,<br />

gewöhnlich in die harmlosere Form von „Fragen" übersetzen<br />

würde.<br />

Notstände sind nur abschaffbar, nicht widerlegbar. Den Nihilismus<br />

widerlegen zu wollen, ist töricht. Nur Naive und Opportunisten<br />

machen sich an diese Aufgabe.<br />

Versucht man, den Notstand <strong>des</strong> Nihilismus min<strong>des</strong>tens durchsichtig<br />

zu machen, dann stellt sich als <strong>des</strong>sen fundamentale Not<br />

heraus, daß das Sollen ein „Binnen-Phänomen" ist; das heißt: daß<br />

die Frage, warum Sollen gesollt sei, nur innerhalb eines zuvor<br />

schon bejahten Lebens begründet werden kann; nur dann, wenn das<br />

Leben ohnehin mit dem Leben einverstanden ist; und zwar einverstanden<br />

auf Grund außermoralischer Argumente, nein, überhaupt<br />

nicht mehr auf Grund von Argumenten. Anders ausgedrückt: die<br />

moralische Erforderlichkeit von Welt und Mensch ist selbst moralisch<br />

nicht mehr begründbar.<br />

Ich wüßte keinen Text, der diesen Notstand <strong>des</strong> Nihilismus eindrucksvoller<br />

in Worte faßte, als die folgende Lehrfabel, die ich<br />

einer molussischen „Einführung in die Probleme <strong>des</strong> Nihilismus"<br />

entnehme:<br />

„Mit abgeblendeten Lichtern", heißt es da, „keinem Gotte erwünscht,<br />

aber auch keinem unerwünscht; von keinem geleitet, aber<br />

auch von keinem behindert — sagen wir ruhig; keinem Gotte be-<br />

21'

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