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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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§ 1<br />

Erste Begegnung mit der prometheischen Schani —<br />

Der heutige Prometheus fragt: Wer bin ich schon?<br />

Ich beginne mit einigen Tagebucheintragungen aus Kalifornien.<br />

11. März 1942<br />

„Glaube, heute vormittag einem neuen Pudendum auf die Spur<br />

gekommen zu sein; einem Scham-Motiv, das es in der Vergangenheit<br />

nicht gegeben hat. Ich nenne es vorerst für mich »Prometheische<br />

Scham"; und verstehe darunter die „Scham, vor der beschämend<br />

hohen Qualität der selbstgemachten Dinge".<br />

Schloß mich mit T. einer Führung durch eine hier eröffnete technische<br />

Ausstellung an. T. benahm sich aufs eigentümlichste; so<br />

eigentümlich, daß ich schließlich nur noch ihn beobachtete statt<br />

der Apparate. Sobald nämlich eines der hochkomplizierten Stücke<br />

zu arbeiten begann, senkte er seine Augen und verstummte. —<br />

Noch auffälliger, daß er seine Hände hinter seinem Rücken verbarg,<br />

so als ob er sich schämte, diese seine schweren, plumpen und<br />

obsoleten Gerate in die hohe Gesellschaft der mit solcher Akkuratesse<br />

und solchem Raffinement funktionierenden Apparate gebracht<br />

zu haben.<br />

Aber dieses „als ob er sich schämte" ist zu ängstlich. Das Benehmensbild<br />

war eindeutig. <strong>Die</strong> Dinge, die er als exemplarisch, als<br />

ihm überlegen und als Vertreter einer höheren Seins-Klasse anerkannte,<br />

spielten für ihn wirklich die gleiche Rolle, die Autoritäts-<br />

Personen oder anerkannt „höhere" Milieus für seine Ahnen gespielt<br />

hatten. In seiner fleischlichen Tölpelhaftigkeit, in seiner kreatürlichen<br />

Ungenauigkeit vor den Augen der perfekten Apparaturen<br />

stehen zu müssen, war ihm wirklich unerträglich; er schämte sich<br />

wirklich. —<br />

Versuche ich, dieser „prometheischen Scham" nachzugehen, so

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