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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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314 Über dieBombe und die Wurzeln unserer Apokalypse-Blindheit<br />

Natürlich darf man sich diese Elastizität und Ausdehnung nicht<br />

mechanisch vorstellen; nicht wie die Ausdehnung eines Gummiballons,<br />

der, mit Gas angefüllt, dieses Gas nun „faßt". Wenn die<br />

Seele die „Füllung" (also die Welt der Symphonie) „faßt", so bedeutet<br />

das vielmehr immer zugleich, daß sie sie auch „auffaßt":<br />

Wirklich „faßt" sie die Musik auch nur so lange, als sie sie auch<br />

„auffaßt"; nur so lange als sie die Symphonie wirklich erfährt,<br />

erfährt sie auch (im Sinne von „durchmachen") ihre Größenverwandlung.<br />

Das Verhältnis ist also keines zwischen zwei res extensae:<br />

zwischen einem elastischen Behälter und <strong>des</strong>sen Inhalt;<br />

sondern eines zwischen auffassendem Subjekt und aufgefaßtem<br />

Gegenstand.<br />

Oder auch das nicht?<br />

Denn was heißt hier „Gegenstand"? Steht denn die erfaßte<br />

Symphonie der Seele so „gegenüber", wie es sich für einen wohlanständigen<br />

„Gegenstand" schickt?<br />

Kaum. Denn der Hörer ist ja in Musik; und die Musik in ihm.<br />

Darf man diese zweideutige und höchst merkwürdige Beziehung<br />

mit dem Ausdruck „Gegenstand" bezeichnen?<br />

Kaum. In der Sphäre <strong>des</strong> Akustischen, min<strong>des</strong>tens in der der<br />

Musik, verliert die Subjekt-Objekt-Konfrontierung, zum Schrecken<br />

<strong>des</strong> Erkenntnistheoretikers (der diese, vom optischen Verhältnis<br />

<strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> zur Welt abgelesene Unterscheidung für universell<br />

gültig gehalten hatte) ihren Sinn. Im Musizieren, in jedem kompetenten<br />

Musikhören, wird der Mensch identisch mit seinem Gegenstände,<br />

und der Gegenstand identisch mit ihm. Je<strong>des</strong> Musizieren<br />

ist ein Stück wahr gewordener Identitätsphilosophie; je<strong>des</strong> eine<br />

Situation, in der der Mensch sein Produkt „einholt". Womit nicht<br />

etwa — das Mißverständnis scheint unvermeidlich, aber die Alternative<br />

„Objektivismus-Subjektivismus" ist eben unzulänglich — der<br />

„subjektivistischen Musikästhetik" das Wort gesprochen, und nicht<br />

etwa gesagt sein soll, daß es die Aufgabe <strong>des</strong> Musikstückes sei, den<br />

Hörer in irgendeine unartikulierte Stimmung zu versetzen. Das tut<br />

Musik nur Unmusikalischen an. Umgekehrt ist der Mensch niemals<br />

artikulierter, als wenn er „in Musik" ist: Denn seine Stimmung

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