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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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310 Über die Bombe und die Wurzeln unserer Apokalypse-Blindheit<br />

<strong>Die</strong> Geschichte der Stile und Moralen ist eine niemals abgerissene<br />

Kette von Unternehmungen, in denen die Menschheit versucht hat,<br />

diese ihre Unfestgelegtheit durch sich selbst auferlegte Verbindlichkeiten<br />

zu kompensieren; sich sozial und psychologisch immer aufs<br />

neue festzulegen; immer Neues aus sich zu machen; immer etwas,<br />

was sie „von Natur aus" nicht gewesen war; was sie aber, sofern<br />

sie überhaupt sein wollte, so oder anders sein mußte, weil sie immer<br />

nur als bestimmte Gesellschaft, wie verkünstelt diese auch sein<br />

mochte, funktionieren konnte.<br />

Während, wie es scheint, jeder Tiergattung oder Spezies ihr bestimmtes<br />

Welt- und Sozialschema mitgegeben ist (oder jede ein<br />

Sozialschema entwickelt hat, das nun so endgültig geworden ist<br />

wie ihr Leibschema) besteht die Mitgift <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> eben nur<br />

in „Gesellschaftlichkeit überhaupt", gewissermaßen in einem<br />

Blanko-Scheck, den er, wenn er überhaupt funktionieren will, nachträglich<br />

irgendwie ausfüllen muß. In anderen Worten; Das Schema<br />

seiner Welt und Gesellschaft hat er jeweils selbst herzustellen. <strong>Die</strong>se<br />

Herstellung, also seine Praxis, ist seine Antwort auf das leere<br />

„Überhaupt" („Gesellschaftlichkeit überhaupt"), auf die Unbestimmtheit<br />

der ihm ausgehändigten Mitgift. Da, was er herstellt,<br />

„unnatürlich" und, im Vergleich mit dem „Überhaupt", kontingent<br />

ist; dieses Kontingente aber, wenn es auch nur einigermaßen<br />

haltbar werden soll, verbindlich gemacht werden muß, hat bis<br />

heute jede Stiftung und Durchsetzung eines Gesellschaftsschemas<br />

Rigorosität und Gewaltsamkeit erfordert. Vor allem natürlich Gewaltsamkeit<br />

gegen diejenigen, die bei dieser Stiftung als Klasse<br />

überwältigt, den Kürzeren ziehen mußten; aber in gewissem Sinne<br />

Gewaltsamkeit auch gegen die Natur <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> überhaupt, da<br />

diese eben immer nur auf „Sozialität als solche" zugeschnitten ist;<br />

niemals auf „gerade dieses" Gesellschaftsschema.<br />

Deshalb gelingt ein Gesellschaftsschema immer nur dann, wenn<br />

es den <strong>Menschen</strong> im ganzen formt. Total aber ist eine Formung<br />

<strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> erst dann, wenn auch <strong>des</strong>sen Gefühle mit-modelliert<br />

sind. — Und damit sind wir bei der Sache.<br />

<strong>Die</strong>se Modellierung der Gefühle eigens durchsetzen, hat sich<br />

freilich in den meisten Fällen erübrigt: Denn gewöhnlich hat der<br />

Mensch, wenn ein neues Gesell Schafts- und Weltschema seine An-

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