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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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300 Über die Bombe und die Wurzeln unserer Apokalypse-Blindheit<br />

gelegenheit der Physik zu akzeptieren; und an Gottes, Christi und<br />

der Heiligen Stelle ein Gesetz ohne Gesetzgeber, also ein unsanktioniertes,<br />

einfach nur da-seien<strong>des</strong>, sinnlos, wenn auch noch so<br />

„eisern" herumschweben<strong>des</strong> Gesetz, nämlich das „Naturgesetz"<br />

anzuerkennen — diese Zumutung, die die geschichtliche Konstellation<br />

an den damaligen <strong>Menschen</strong> stellte, war einfach nicht zu<br />

bewältigen. Um so weniger, als dieses Gesetz ja ausschließlich das<br />

Seiende determinierte, dieses aber durch und durch; während es<br />

sich über Gesolltes (da es derartiges als auffindbar Seien<strong>des</strong> ja nicht<br />

gab) total ausschwieg — kurz: weil nun alles plötzlich Eines, nämlich<br />

„Natur", war. In diese Formel „alles ist Eines" horche man<br />

gut hinein. Denn sie (die früher dem alles, ohne Ansehen der Person,<br />

verschlingenden Tode in den Mund gelegt worden war) enthüllt<br />

das Wesen <strong>des</strong> Nihilismus. Sie ist eine „Janus-Formel": sie<br />

besagt ein Doppeltes:<br />

Einerseits eben: „Alles ist einer Art: nämlich von der Art der<br />

Natur" — und damit stellt sie die Grundformel <strong>des</strong> „metaphysischen<br />

Monismus" dar.*<br />

Andererseits aber besagt sie, da sie eben nur Gesetze <strong>des</strong> Seienden<br />

kennt: „Es gibt nichts Gesolltes; alles ist egal; alles ist erlaubt."<br />

Und stellt damit die Grundformel <strong>des</strong> radikalen und programmatischen<br />

Amoralismus dar.<br />

<strong>Die</strong> berühmte Frage Lotzes, die er in Nachfolge Schellings und<br />

Weisses formulierte: „Worin es eigentlich liegt und wie es zugeht<br />

oder gemacht wird, daß überhaupt etwas ist und nicht lieber nichts<br />

ist"*, erscheint beim Nihilisten, der ja ein <strong>des</strong>illusionierter Moralist<br />

ist, in der Variantenform auf: „was eigentlich daran liegt, daß<br />

überhaupt etwas da sein soll und nicht vielmehr nichts."<br />

„Denn warum", hätte der Nihilist argumentieren können, „warum<br />

und woraufhin sollte ich selbst denn noch „sollen", wenn es<br />

nur Seien<strong>des</strong> gibt?* Warum sollte die Welt und ich selbst denn<br />

nicht ebenso gut nichtsein wie sein dürfen? Und warum sollte ich<br />

denn nicht für das Faktum, daß die Welt und ich selbst, statt gesollt,<br />

eben nur „da" und „Natur" ist, Rache nehmen? Und zwar<br />

eben dadurch, daß ich das Nichtsein selbst besorge, daß ich die<br />

Vernichtung selbst in die Hand nehme? Wäre nicht diese Rache,<br />

durch die ich ja immerhin noch eine Konsequenz zöge, die zu ziehen

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