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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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In dubio contra reum 295<br />

oder nicht, automatisch zum „Tun" wird, bedeutet das, daß das<br />

Faktum, um das es moralisch hier geht, die Bombe als Tat ist.<br />

Wo es sich aber um eine Tat von solchem Ausmaß handelt, da<br />

richtet sich deren moralische Qualität nicht mehr nach der Qualität<br />

<strong>des</strong> Tuenden: nach <strong>des</strong>sen mehr oder weniger gutem Willen,<br />

nach <strong>des</strong>sen Einsicht oder nach <strong>des</strong>sen Gesinnung, sondern ausschließlich<br />

nach deren Effekt. Es gibt eine Grenze, jenseits derer<br />

man psychologische Unterscheidungen, auch die gröbsten, rücksichtslos<br />

zu suspendieren hat;<br />

jenseits derer es zum akademischen Luxus wird, die Differenz<br />

zwischen beabsichtigtem Verbrechen und crimen veniale aufrechtzuerhalten;<br />

jenseits derer der Täter auf jeden Fall, gleich, auf was er angeblich<br />

abgezielt hatte, so zu beurteilen ist, als ob er, was er effektiv<br />

androht oder anrichtet, auch beabsichtigt hätte;<br />

jenseits derer, weil eben der Mensch auf dem Spiel steht, der<br />

unmenschlich klingende Satz gilt: „Nicht die Tat ist so gut oder so<br />

schlecht wie ihre Täter, sondern umgekehrt ist der Täter durch sein<br />

Tun so gut oder so schlecht wie seine Tat."<br />

Für die Beurteilung normaler Taten darf dieser Satz natürlich<br />

nicht gelten: die Unterscheidung zwischen beabsichtigten Taten<br />

und unbeabsichtigten bleibt unantastbar. Und selbst in unserem<br />

Falle ist die Suspendierung der Unterscheidung nur dann verantwortbar,<br />

wenn man sie mit einer unermüdlichen didaktischen Aktion<br />

verbindet, das heißt: wenn man dem blinden Täter den Effekt<br />

seines Tuns pausenlos vor Augen führt und keine Chance ungenützt<br />

läßt, um ihn daran zu verhindern, daß er sich schließlich<br />

in äußerstem Sinne schuldig mache. —<br />

Ob und wann diese Aktion, die nun ja angelaufen zu sein und<br />

in täglich breiterer Front in Gang zu kommen scheint, gelingt, das<br />

kann man freilich nicht voraussehen. <strong>Die</strong> moralische Beurteilung<br />

<strong>des</strong> Täters so lange zu vertagen, bis das Ergebnis dieser Aktion<br />

deutlich wird, das ist natürlich nicht möglich. Darum heißt es in<br />

diesem Falle — aber auch diesem inhuman klingenden Satze liegt<br />

nichts zugrunde als die Sorge um den <strong>Menschen</strong>: „In dubio contra<br />

reum". Das bedeutet: Solange der Täter das Gerat nicht abschafft;<br />

solange er, einfach dadurch, daß er es hat, mit ihm droht; solange

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