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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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Gewissenhaftigkeit statt Gewissen 289<br />

formuliert) noch nicht einmal „Eigentümer" <strong>des</strong> Zielbil<strong>des</strong> der<br />

Produktion ist, daß diese Ziele ihn nichts angehen. Wenn dem so<br />

ist, wenn er also das Ziel nicht weiß, nicht zu wissen braucht oder<br />

nicht wissen soll, dann braucht er offensichtlich auch kein Gewissen<br />

zu haben. Vielmehr wird das vom individuellen Gewissen geprüfte<br />

oder gar diktierte „Handeln" suspendiert und durch Gewissenhaftigkeit<br />

<strong>des</strong> „aktiv-passiv-neutralen" Mit-Treibens ersetzt; und<br />

wenn es „gutes Gewissen" im Betrieb gibt, so nur als paradoxe Genugtuung<br />

über die hundertprozentig gelungene Abschaltung <strong>des</strong><br />

eigenen Gewissens; oder sogar als Stolz darauf- Der Fabrikarbeiter<br />

oder der Buroangestellte, der der Betriebsmaschinerie seine weitere<br />

Mitarbeit mit der Begründung aufsagen würde, das Betriebsprodukt<br />

widerspreche seinem individuellen Gewissen oder einem allgemeingültigen<br />

Sittengesetz; <strong>des</strong>sen Verwendung sei unmoralisch,<br />

<strong>des</strong>sen unmoralische Verwendung min<strong>des</strong>tens möglich, der wurde<br />

im günstigsten Falle als ein Narr gelten und sehr rasch die Folge<br />

seines unusuellen Benehmens zu spüren bekommen.<br />

"Während Arbeiten als solches unter allen Umständen als „moralisch"<br />

gilt, gelten in actu <strong>des</strong> Arbeitens Arbeitsziel und -Ergebnis<br />

— das gehört zu den verhängnisvollsten Zügen unserer Zeit —<br />

grundsätzlich als „moralisch neutral"; gleich, woran man arbeitet,<br />

das Arbeitsprodukt bleibt „jenseits von gut und böse' 1 . Jede andere,<br />

jede nicht-nihilistische Bezeichnung wäre bloße Vertuschung. —<br />

Auf keinen Fall aber — und das stellt nun allerdings den Klimax<br />

<strong>des</strong> Verhängnisses dar — auf keinen Fall „ o l e t " das Arbeiten<br />

selbst. Der Gedanke, daß das Produkt, an dem man arbeitet, und<br />

wäre es das verwerflichste, das Arbeiten infizieren könnte, wird<br />

psychologisch als Möglichkeit noch nicht einmal in Betracht gezogen.<br />

Produkt und Herstellung <strong>des</strong> Produktes sind, moralisch gesprochen,<br />

auseinandergerissen; der moralische Status <strong>des</strong> Produktes<br />

(zum Beispiel von Giftgas oder der der Wasserstoffbombe) wirft<br />

keinen Schatten auf den moralischen Status <strong>des</strong>sen, der arbeitend<br />

an <strong>des</strong>sen Produktion teilnimmt. Gleich, ob es weiß oder nicht<br />

weiß, was er tut, Gewissen für das, was er tut, braucht er nicht.*<br />

Wie gesagt: diese „Gewissenlosigkeit" herrscht bereits im Betrieb.<br />

—<br />

Der Betrieb ist also der Ort, an dem der Typ <strong>des</strong> „medial gewis-<br />

19 Anders

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