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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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Wir sind „medial" 287<br />

Sektoren läuft unser heutiges „Tun", da es sich im Rahmen organisierter,<br />

uns nicht übersehbarer, aber für uns verbindlicher Betriebe<br />

abspielt, auf konformistisches Mit-Tun heraus. Der Versuch,<br />

abzuwägen, in welchem Verhältnis die Anteile von „aktiv" und<br />

„passiv" in diesem oder jenem „Mit-Tun" dosiert sind; abzugrenzen,<br />

wo das Getan-Werden aufhört und das Selber-Tun anfängt,<br />

würde ebenso ergebnislos bleiben wie der, eine mit dem Maschinengange<br />

konform gehende Bedienungsarbeit in ihre aktiven und ihre<br />

nur reaktiven Komponenten zu zerlegen. <strong>Die</strong> Unterscheidung ist<br />

zweitrangig geworden, das heutige Dasein <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> ist zumeist<br />

weder nur „Treiben" noch nur „Getriebenwerden"; weder<br />

nur Agieren noch nur Agiertwerden; vielmehr „aktiv-passiv-neutral".<br />

Nennen wir diesen Stil unseres Daseins „medial".<br />

<strong>Die</strong>se „Medialität" herrscht überall. Nicht etwa nur in denjenigen<br />

Ländern, die Konformismus gewalttätig, sondern auch in<br />

denen, die ihn sanft erzwingen. In den totalitären natürlich am<br />

deutlichsten. Darum wähle ich als Beispiel für „Medialität" ein<br />

typisch totalitäres Verhallen:<br />

Immer wieder konnte man in jenen Prozessen, in denen „Verbrechen<br />

gegen die Menschlichkeit" verhandelt wurden, erleben,<br />

daß die Angeklagten gekränkt, bestürzt, ja zuweilen sogar empört<br />

darüber waren, daß sie überhaupt als „Personen" angesprochen,<br />

also für die Mißhandlung derer, die sie mißhandelt, und für die<br />

Ermordung derer, die sie ermordet hatten, zur Verantwortung gezogen<br />

wurden. <strong>Die</strong>se Angeklagten einfach als zufällige Exemplare<br />

von Entmenschten oder von Verstockten aufzufassen, wäre absolut<br />

irrig. Wenn sie unfähig waren, Reue, Scham oder was auch immer<br />

an moralischen Reaktionen aufzubringen, so nicht, obwohl sie mitgetan<br />

hatten, sondern zumeist, weil sie nur mitgetan hatten; zuweilen<br />

aber geradezu, weil sie ja mitgetan hatten, das heißt: weil<br />

für sie „Moralisch-Sein" eo ipso mit hundertprozentiger „Medialität"<br />

zusammenfiel und sie daher (als „mit-getan Habende") ein<br />

gutes Gewissen hatten. Was sie in ihrer „Verstocktheit" meinten,<br />

hätten sie also so ausdrücken können; „Wenn wir nur wüßten,<br />

was Ihr von uns wollt! Damals waren wir ]a in Ordnung (oder<br />

wenn Ihr wollt: „moralisch"). Dafür, daß der Betrieb, mit dem<br />

wir damals zur Zufriedenheit mit-getan haben, heute durch einen

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