12.01.2014 Aufrufe

Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

282<br />

§ 16<br />

Weitere Aufgabe:<br />

<strong>Die</strong> willentliche Erweiterung unseres Gegenwarts-Horizontes<br />

Obwohl er in seinen technischen „Utopien" die Wahrheit vorwegträumte<br />

und außer der Zukunft keine einzige Zeit-Dimension<br />

kannte, blieb doch der bürgerliche Fortschrittsgläubige — ich sage:<br />

der bürgerliche, im Unterschied zum eschatologisch-revolutionären<br />

— mehr oder minder zukunftsblind. In gewissem Sinne kann man<br />

sagen, daß er es nicht nötig hatte, in die Zukunft zu blicken, da<br />

diese ja „von selber" kam, täglich von selber kam, täglich besser<br />

von selber kam. Sein Futurismus war nicht annähernd so intensiv,<br />

wie es etwa derjenige <strong>des</strong> Christen gewesen war, der angstvoll dem<br />

apokalyptischen Ende entgegengewartet hatte.* So rasch wir auch<br />

in die Fortschrittswelt hineinrannten — wir rannten wie Kurzsichtige,<br />

unser aktueller Zukunftshorizont: derjenige Zeitraum,<br />

den wir als Futurum in Betracht zogen und als solches auffaßten,<br />

blieb doch von geradezu provinzlerischer Enge. Schon das Übermorgen<br />

war uns keine Zukunft mehr.<br />

Was wir mit diesem Paradox meinen, ist die einfache Tatsache,<br />

daß uns nicht alles, was künftig ist, <strong>des</strong>halb auch schon als „Zukunft"<br />

gilt. Das Jahr 1967 ist gewiß für uns „Zukunft". Aber das<br />

Jahr 2500 als Zukunft und die <strong>Menschen</strong> <strong>des</strong> Jahres 2500 als unsere<br />

Urenkel aufzufassen, sind wir unfähig: sie „gehen uns nichts<br />

an", ihr Zeitort scheint irgendwo im Nebel zu liegen; und gar der<br />

Ort <strong>des</strong> Jahres 10 000 in der archaischen Gegend <strong>des</strong> Jahres 10 000<br />

vor Beginn unserer Zeitrechnung. — Auch im Fortschrittszeitalter<br />

lebte man in den Tag hinein; wenn auch in den von Tag zu Tag<br />

rapide wechselnden Tag. —<br />

Aber diese schönen Tage sind nun vorüber.<br />

Denn die Zukunft „kommt" nicht mehr; wir verstehen sie nicht<br />

mehr als „kommende"; wir machen sie. Und zwar machen wir sie<br />

eben so, daß sie ihre eigene Alternative: die Möglichkeit ihres Abbruchs,<br />

die mögliche Zukunftslosigkeit, in sich enthalt. Auch wenn<br />

dieser Abbruch nicht morgen schon eintritt — durch dasjenige, was<br />

wir heute tun, kann er übermorgen eintreten oder in der Gene-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!