12.01.2014 Aufrufe

Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Der Fortschritt a l s Behinderung 277<br />

zu registrieren. <strong>Die</strong> organisierten Massenaktionen, die gegen die<br />

Verwendung atomarer Waffen in Bewegung gesetzt worden sind,<br />

bestätigen zwar die Akutheit der Gefahr, beweisen aber durchaus<br />

keine millionenfach angstvolle Erwartung <strong>des</strong> En<strong>des</strong>. Und dabei<br />

wäre es noch nicht einmal richtig, zu behaupten, daß eschatologische<br />

Spannung und Bereitschaft in unserem Zeitalter erloschen<br />

seien. <strong>Die</strong> Revolutionen unseres Jahrhunderts sind ja durchaus nicht<br />

ohne eschatologische Ambitionen aufgetreten; vielmehr mit dem<br />

Anspruch, die Geschichte „aufzuheben" und einen nachgeschichtlichen<br />

Zustand, den der klassenlosen Gesellschaft oder den <strong>des</strong><br />

„Reiches", her auf zuführen. Das eindrucksvolle, der französischen<br />

Revolution entlehnte, Symbol der neu beginnenden Zeitrechnung<br />

oder die Bezeichnung „tausendjährig" lassen darüber ja gar keinen<br />

Zweifel. Aber was diese eschatologisch Gläubigen, also die Revolutionäre,<br />

erwarteten, war, trotz der Mythologisierung der Worte<br />

„Revolution" und „Umbruch", gewissermaßen „nur" das Reich<br />

Gottes; womit ich meine, daß sie nicht auf ein apokalyptisches Ende<br />

selbst ausgerichtet waren, nicht auf einen Gerichtstag, der auch<br />

für sie ein Gericht sein würde, sondern eben ausschließlich auf den<br />

Zustand nach dem Ende.<br />

Das ist eine höchst eigentümliche Tatsache. Denn früher war<br />

jede eschatologische Hoffnung automatisch von apokalyptischer<br />

Angst ergänzt worden; während nun die apokalyptische Seite der<br />

Sache verdunkelt, ja sogar ausgelöscht blieb. Das geht so weit, daß<br />

man, während man „Heilsbringera" wie Hitler Vertrauen schenkte,<br />

keiner Unheilsvcrkündung Glauben entgegenbrachte; und daß<br />

man das Unheil, als es, von den „Heilsverkündern" provoziert,<br />

wirklich eintrat, noch nicht einmal auffassen oder nachträglich zur<br />

Erfahrung machen konnte.<br />

Was war der Verhinderungsgrund?<br />

Der Fortschrittsglaube.<br />

<strong>Die</strong> Fähigkeit, uns auf „Ende" einzustellen, ist uns durch den<br />

generationenlangen Glauben an den angeblich automatischen Aufstieg<br />

der Geschichte genommen worden. Selbst denjenigen unter<br />

uns, die an Fortschritt schon nicht mehr glauben.* Denn unsere<br />

Zeit-Attitüde, namentlich unsere Einstellung auf Zukunft, die<br />

vom Fortschrittsglauben geformt worden war, hat diese ihre For-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!