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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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<strong>Die</strong> zehn Er mordeten 269<br />

Gemüt, das doch gerade vor der Folie <strong>des</strong> in seine Grenzen zurückgewiesenen<br />

Vermögens als „überschwänglich" galt, durch engste<br />

Grenzen eingeengt und unfähig sein soll, diese seine Grenze zu<br />

überschwingen, das haben wir uns gewöhnlich nicht klar gemacht.<br />

Aber offenbar untersteht das Gemüt einem ähnlichen Schicksal<br />

wie die Vernunft; offenbar ist auch ihm eine (zwar elastische,<br />

aber doch eben begrenzt elastische) Kapazität zugeteilt. Und das<br />

gilt wiederum nicht nur von der Angst, sondern von allen Emotionen.<br />

Also — und damit variieren wir nur die schon mehrfach verwendete<br />

Formel, aber diese ist eben das Leitmotiv unserer Überlegungen.<br />

Zehn Ermordete zu bereuen oder zu beweinen, sind wir unfähig.<br />

Sich so „auszudehnen", um zehn Ermordete „meinen" zu können,<br />

ist die Reue unfähig.<br />

Vorstellen können wir die zehn Toten vielleicht. Zur Not.<br />

Aber töten — können wir Zehntausende. Ohne weiteres. Und die<br />

Leistungssteigerung wäre und ist kein Problem.<br />

oder:<br />

Vor unserem eigenen Sterben können wir Angst haben.<br />

Schon die To<strong>des</strong>angst von zehn <strong>Menschen</strong> nachzufühlen, ist uns<br />

zuviel.<br />

Vor dem Gedanken der Apokalypse aber streikt die Seele. Der<br />

Gedanke bleibt ein Wort. —<br />

Eine „Kritik <strong>des</strong> reinen Gefühls" — nicht im Sinne moralischen<br />

Richterspruchs, sondern in dem leantischen einer Nachzeichnung<br />

<strong>des</strong> begrenzten Leistungsumfanges unseres Fühlens — hätte dem<br />

nachzugehen. Was uns heute — im Unterschied zu Faust — aufregen<br />

müßte, ist jedenfalls nicht, daß wir nicht allmächtig sind oder allwissend;<br />

sondern umgekehrt, daß wir im Vergleich mit dem, was<br />

wir wissen und herstellen können, zu wenig vorstellen und zu wenig<br />

fühlen können.* Daß wir fühlend kleiner sind als wir selbst. —<br />

Welche „Etagenstücke" wir beim Bück auf das „Gefälle" ins<br />

Auge fassen, ist ziemlich gleichgültig. Immer bleibt es das gleiche<br />

Gefälle. Nicht weniger wichtig als das zwischen „Machen" und<br />

„Fühlen" ist z. B. uas zwischen „Wissen" und „Begreifen": Daß<br />

wir „wissen", welche Folgen ein atomarer Krieg nach sich ziehen

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