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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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III<br />

DER MENSCH IST KLEINER ALS ER SELBST<br />

Wir leben im, Zeitalter der Unfähigkeit zur Angst<br />

So also ist die Situation. So beängstigend.<br />

Aber wo ist unsere Angst?<br />

Ich finde keine. Noch nicht einmal eine Angst mittlerer Größe<br />

kann ich finden. Noch nicht einmal eine, wie sie etwa bei der Gefahr<br />

einer Grippe-Epidemie aufträte. Sondern eben überhaupt<br />

keine.<br />

Wie ist das möglich?<br />

Über die Berechtigung, die Zeit der Diktatur und <strong>des</strong> Krieges,<br />

der Lager, der Besatzungen, der brennenden Städte, das „Zeitalter<br />

der Angst" zu nennen, auch nur ein Wort zu verlieren, wäre<br />

unerlaubt. Aber unter<strong>des</strong>sen, in den zehn Jahren, die der Schlußkatastrophe<br />

gefolgt sind, hat der Ausdruck eine merkwürdige Karriere<br />

gemacht, eine höchst unreelle. Ginge man heute in Wien, in<br />

Paris, in London, in New York — wo immer die Redensart „Age<br />

of Anxietj" geläufig ist, auf die Suche nach Angst, nach wirklicher<br />

Angst — die Ausbeute würde äußerst bescheiden ausfallen.<br />

Gewiß : das gedruckte Wort „Angst" würde man finden, in Schwärmen<br />

sogar, in Ballen von Publikationen, von denen Hunderte täglich<br />

in die Makulatur wandern, um von anderen Hunderten ersetzt<br />

zu werden. Denn Angst ist heute zur Ware geworden; und über<br />

Angst spricht heute jedermann. Aber aus Angst sprechen nur sehr<br />

wenige.<br />

Denn unter<strong>des</strong>sen hat man sich daran erinnert, daß vor hundert<br />

Jahren das Wort in den Terminus-Stand erhoben wurde — durch<br />

Kierkegaard, also eine hoch philosophische und hochliterarische<br />

Vergangenheit hat; und in Anknüpfung an ihn und an Heidegger<br />

hat man das Wort nun zur publizistischen Marktware gemacht,

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