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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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252 über die Bombe und die Wurzeln unserer Apokalypse-Blindheit<br />

in den heutigen Ding-Kosmos versagt. Deshalb: eben weil sie<br />

keine Mittel sind, gelten Zwecke als zwecklos. Jedenfalls Zwecke<br />

als solche. Zwecklos sind sie, wie gesagt, ausschließlich dadurch,<br />

daß auch sie sich als Mittel bewahren können. Und zwar als Mittel<br />

in der Potenz; also dazu tauglich sind, Mittel zu vermitteln, z. B.<br />

diese verkäuflich zu machen. Der Zweck von Zwecken besteht heute<br />

darin, Mittel für Mittel zu sein. Das ist eine schlichte Tatsache;<br />

nur weil diese paradox ist, ist auch die Formulierung paradox.<br />

Besonders deutlich wird diese „Mittel"-Rolle bei „angehängten<br />

Zwecken". Darunter verstehe ich solche Zwecke, die man Dingen<br />

ex post zuweist, um ihnen ihren rechtmäßigen Platz im Gemeinwesen<br />

der Mittel zu verschaffen, also gewissermaßen um sie „ehrlich<br />

zu machen". Wenn bei einem chemischen Prozeß ein Derivat abfällt,<br />

dann besteht die Aufgabe darin, für dieses Derivat einen<br />

Zweck zu finden, notfalls dazu zu erfinden, um dem Derivat die<br />

Chance zu geben, zum Mittel aufzusteigen. In der Tat ist die Zahl<br />

der Fälle, in denen es nicht gelingt, durch Zwangsmodellierung<br />

der Nachfrage einen solchen Zweck zu finden oder zu erfinden,<br />

sehr gering. Der Zweck <strong>des</strong> dazuerfundenen Zweckes besteht also<br />

darin, den Stoff, der als „Nichtsnutz" zur Welt gekommen war,<br />

in etwas zu überführen, das im Gemeinwesen der Mittel seinen<br />

Mann stehen kann. „Dinge an sich" darf es nicht geben; sondern<br />

nur Mittel, min<strong>des</strong>tens virtuelle.<br />

Es liegt auf der Hand, daß niemand dem Interesse der Mittelerzeuger<br />

so obstruktiv widerspricht wie der Kritiker, der nicht nur<br />

ein hergestelltes Mittel, sondern den Zweck eines hergestellten<br />

Mittels ablehnt. <strong>Die</strong> angeblich unbeschränkte Freiheit der Kritik<br />

ist faktisch aufs engste eingeschränkt: nämlich auf Kritik der Eignung<br />

eines Mittels; und nur diese Art von Kritik existiert; nicht<br />

die Zweck-Kritik. Denn die Kritik eines Zweckes würde ja die<br />

Produktion <strong>des</strong> diesem Zwecke dienenden Mittels stören und damit<br />

einen höchst gefährlichen Präzedenzfall schaffen. Schließlich besteht<br />

ja der Zweck von Zwecken darin, der Mittelerzeugung ihre<br />

raison d'etre zu verschaffen. Wird durch Zweckkritik diese raison<br />

d'etre in Zweifel gezogen, so ist damit das Prinzip der sakrosankten<br />

Mittelerzeugung als solcher attackiert. In anderen Worten:<br />

<strong>Die</strong> Mittel heiligen die Zwecke.

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