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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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Faust ist tot 241<br />

Mensch sein zu dürfen — eine höchst zweifelhafte, äußerst gefährliche<br />

Sehnsucht also, weil sie, solange sie nichts als Gefühl<br />

bleibt, den Fühlenden nur schwächt, die Position jener dagegen,<br />

die die Allmacht effektiv in Händen halten, bestärkt und kräftigt.<br />

Aber wer hätte in jenen Zeiten, da Maschinenstürmerei als wütender<br />

Protest hungernder Heimarbeiter gegen die konkurrierenden<br />

Apparate anhob, vorausgesehen, daß, was so begonnen, einmal<br />

ein Ausmaß annehmen würde, das in anderen als mythologisierenden<br />

Worten nicht würde formuliert werden können? Denn in einer<br />

anderen Formel als in der: „Der Titan, der verzweifelt wieder<br />

Mensch sein will", könnte man diese heutige Sehnsucht kaum mehr<br />

in Worte fassen. —<br />

So befremdlich es klingt: erst durch ihre Übersiedlung in unsere<br />

Hände scheint die Omnipotenz wirklich gefährlich zu werden.<br />

Immer hatte es früher einen Noah gegeben, immer einen<br />

Loth. Jede bisherige Übermacht hatte sich, gleich, ob sie in unseren<br />

Augen als natural oder als supranatural galt (selbst diese<br />

Unterscheidung scheint nun zweitrangig geworden) als gnädig erwiesen:<br />

jede uns immer nur partiell bedroht, jede nur Einzelnes<br />

ausgelöscht: „nur" <strong>Menschen</strong>, „nur" Städte, „nur" Reiche, „nur"<br />

Kulturen; aber uns — wenn wir unter „uns" die Menschheit verstehen<br />

— doch immer weiter verschont. Kein Wunder, daß der<br />

Gedanke einer totalen Gefahr eigentlich nicht existierte; außer bei<br />

einer Handvoll von Naturphilosophen, die mit der Idee einer kosmischen<br />

(etwa Kältetod-) Katastrophe spielten; und bei jener<br />

Minorität von Christen, die das Weltende noch immer (aber eben<br />

nicht schon wieder) erwarteten.<br />

Wie weit sich das geändert hat, also wie weit die Menschheit<br />

heute wirklich apokalypse-bewußt ist, ist zwar zweifelhaft; aber<br />

daß sie es sein müßte, das ist keine Frage. Denn von uns, den<br />

kosmischen Parvenüs, den Usurpatoren der Apokalypse, zu erwarten,<br />

daß auch wir jene Gnade walten lassen werden, die, gleich<br />

ob aus Freundlichkeit, Indifferenz oder Zufall, die Übermächte bis<br />

heute hatten walten lassen, dazu haben wir wenig Ursache; vermutlich<br />

gar keine, da ja jene Männer, die nun faktisch Herren <strong>des</strong><br />

Unendlichen sind, diesem ihrem Eigentum phantasie- oder gefühlsmäßig<br />

genau so wenig gewachsen sind wie wir, die prospek-<br />

16 Anders

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