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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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§ 28<br />

207<br />

Nicht der Betrachter, der Betrachtete ist beträchtlich<br />

Obwohl, wie gesagt, diese Metamorphose nicht in unser ursprüngliches<br />

Beispielsgebiet hineingehört, ist sie doch, da sie die<br />

Anerkennung <strong>des</strong> Primats <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> vor dem "Wirklichen als lebendiges<br />

Handlungsmotiv, und die Verwandlung in ein Matrizenbild<br />

als einen Lebensvorgang vorführt, besonders lehrreich. <strong>Die</strong> in unserer<br />

Untersuchung vertretene These, daß Bildsein heute als „seiender"<br />

gelte als Sein, wird durch den Fall vollends deutlich; weshalb<br />

wir weiter bei ihm verweilen.<br />

V.s Gier nach Bildwerdung einfach mit den Worten ,Eitelkeit'<br />

oder Ruhmsucht' abzufertigen, wäre zu einfach. Eitelkeit und<br />

Ruhmsucht: die Sucht danach, in anderer Leute Munde und Auge<br />

zu sein; und die Hoffnung darauf, durch dieses bei-Anderen-Sein<br />

mehr oder überhaupt erst zu s e i n — erklären ja nichts; sind ja<br />

vielmehr selbst Probleme, und zwar sehr undurchsichtige. —<br />

Wie abertausend Andere war V. in einer Welt aufgewachsen, in<br />

der nur Phantome (,pictures') als erheblich angesehen worden waren,<br />

und die Phantom-Industrie (nicht zu Unrecht) als eine sensationell<br />

reelle Industrie gegolten hatte. Von dieser Welt, von der<br />

Matrizenkraft dieser Phantome und von deren Prestige, war sie<br />

geprägt worden. Innerhalb dieser Welt von Bildern zwar irgendwie<br />

zu „sein"; aber eben als Nicht-Bild, als Nicht-Vorbild, war für<br />

sie von früh auf eine Marter gewesen und bald zur Ursache eines<br />

nicht endenden Minderwertigkeits- und Nichtigkeitsgefühls geworden.<br />

Man mache sich die Ätiologie dieses Minderwertigkeitsgefühls<br />

klar, denn sie ist in der Geschichte erstmalig; und (auch<br />

wenn sie von der Individualpsychologie, die von nichts als Minderwertigkeitsgefühlen<br />

handelt, noch nicht entdeckt ist) deren beute<br />

entscheidende Spielart: Denn nicht aus Mitmenschen besteht heute<br />

die Vorbild-Welt, die den Unsicheren einschüchtert, sondern aus<br />

Mensch-Phantomen und sogar aus Dingen.* Nicht vor der bedrohlichen<br />

Folie ihrer Eltern oder Geschwister, ihrer Nebenbuhlerinnen

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