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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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194 <strong>Die</strong> Welt als Phantom und Matrize<br />

warenreif, bereitsteht, so ergeben sich daraus folgende fünf, für<br />

die Schilderung der Epoche entscheidende, "Konsequenzen:<br />

I. <strong>Die</strong> Welt „paßt" dem <strong>Menschen</strong>; der Mensch der Welt;<br />

so wie der Handschuh der Hand, die Hand dem Handschuh; die<br />

Hose dem Leib, der Leib der Hose.<br />

<strong>Die</strong> Bezeichnung heutiger Produkte oder <strong>Menschen</strong> als „von der<br />

Stange gekaufter Konfektionsware" ist ja üblich. Aber unser Vergleich<br />

mit Kleidung zielt auf etwas anderes; auf Grundsätzlicheres:<br />

nämlich auf die Bestimmung der Gegenstands-Klasse, der die heutige<br />

Welt zugehört.<br />

Zum Wesen der Kleidung gehört es nämlich — und dieses Merkmal<br />

macht sie zu einer eigenen Klasse — daß sie uns nicht gegenübersteht',<br />

sondern uns „sitzt"; und zwar so passend, so angegossen,<br />

so widerstandslos, daß sie ah Gegenstand in der Benutzung nicht<br />

mehr gespürt oder erfahren wird. —<br />

Bekanntlich hat Dilthey die Tatsache <strong>des</strong> 'Widerstan<strong>des</strong>' als<br />

Argument für die ,Realität der Außenwelt' herangezogen. Da sich<br />

das Verhältnis <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> zur Welt als Zusammenstoß und als<br />

mehr oder minder pausenlose Friktion vollzieht, nicht als neutraler<br />

Bezug auf ein Etwas, (das sich, nach Descartes, auch als ein uns weisgemachtes<br />

Phantom entpuppen könnte) ist die Betonung <strong>des</strong> „Wider<br />

Stands Charakters" der Welt außerordentlich wichtig.<br />

Um so wichtiger, als sich aus dieser Tatsache alle Aktivitäten<br />

<strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> herleiten lassen: nämlich als immer neue Versuche,<br />

die Friktion zwischen Welt und Mensch auf ein Min<strong>des</strong>tmaß zu<br />

reduzieren, also eine Welt herzustellen, die dem <strong>Menschen</strong> besser<br />

oder vielleicht sogar schlechthin, mithin kleidartig, „paßt".<br />

Und diesem Ziele scheint man nun so nahe gekommen wie nie<br />

zuvor. Jedenfalls ist die Anpassung <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> an die Welt und<br />

die der Welt an den <strong>Menschen</strong> nun so vollständig, daß der „Widerstand"<br />

der Welt unspürbar geworden ist; daß<br />

II. die Welt als Welt verschwindet. — <strong>Die</strong>se neue Formel macht<br />

es nun freilich deutlich, daß selbst unser Hinweis auf die Gegenstandsklasse<br />

„Kleid" nur als ein vorläufiger Hinweis dienen kann.<br />

Denn gehört es auch zum Wesen der Kleidung, als Gegenstand unspürbar<br />

zu bleiben — effektiv verschwindet sie in der Benutzung<br />

ja nicht. Effektiv verschwinden nur die Gegenstände einer einzigen

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