12.01.2014 Aufrufe

Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Einmal i s t keinmal l81<br />

sie nun in Schwärmen die Welt, „pour corriger sa nature": um<br />

den Defekt, den je<strong>des</strong> Stück durch die Tatsache seiner Einzigkeit<br />

innerhalb <strong>des</strong> Serien-Universums darstellt, zu beheben; um es in<br />

das Serien-Universum, von dem es bis dahin ausgenommen gewesen<br />

war, durch Reproduktion aufzunehmen, also um es photographisch<br />

„aufzunehmen". Haben sie das knipsend getan, dann sind<br />

sie beruhigt.<br />

<strong>Die</strong>ses „Aufnehmen" bedeutet nun aber auch ein „bei sich Aufnehmen".<br />

Denn was diese Magier durch ihr Reproduzieren erreichen,<br />

ist zugleich, daß sie die Gegenstände nun „haben 1 . Man ergänze<br />

nicht: „nur in effigie". Der Modus, in dem sie diese Gegenstände<br />

nun „haben", ist vielmehr gerade derjenige, in dem zu<br />

„haben" sie gewöhnt sind. Nur weil sie die Gegenstände in effigie<br />

haben, „haben" sie sie. Da ihnen ein anderer Aufenthalt als der<br />

zwischen effigies nicht mehr bekannt ist — die Serienwaren ihrer<br />

"Welt, zwischen, mit und von denen sie leben, sind ja durchweg<br />

Reproduktionen, durchweg Nachbilder von Modellen — sind Nachbilder<br />

für sie eben das Wirkliche. So wenig sie dasjenige photographieren,<br />

was sie sehen — denn was sie sehen, das sehen sie nur, um<br />

es zu photographieren; und was sie photographieren, das photographieren<br />

sie nur, um es zu haben — so wenig ist ihnen das, was sie<br />

photographieren, das „Wirkliche". „Wirklich" ist für sie vielmehr<br />

die Aufnahme, das heißt: die in das Serien-Universum aufgenommenen<br />

und zu ihrem Eigentum gewordenen Exemplare der Reproduktions-Serie.<br />

Ontologisch ausgedrückt: Das „esse = percipi"<br />

haben sie durch ein „esse = haberi" ersetzt.* „Wirklich" ist für<br />

sie nicht eigentlich der in Venedig liegende Marcusplatz; sondern<br />

derjenige, der in ihrem Photo-Album liegt, in Wuppertal, Sheffield<br />

oder Detroit. Womit zugleich gesagt ist: Nicht dort zu sein,<br />

zählt für sie, sondern allein, dort gewesen zu sein. Und das nicht<br />

nur <strong>des</strong>halb, weil dort gewesen zu sein, ihr heimisches Prestige<br />

hebt, sondern eben, weil nur Gewesenes einen sicheren Besitz darstellt.<br />

Während nämlich Gegenwärtiges, auf Grund seiner Flüchtigkeit,<br />

nicht „gehabt" werden kann; ein unhaltbares, unreelles,<br />

unrentables Gut bleibt, eben nicht bleibt, ist das Gewesene, da es<br />

als Bild zum Dinge und damit zum Eigentum geworden ist, das<br />

allein Wirkliche. Ontologisch formuliert: „Nur Gewesen-sein ist

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!