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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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Haben verpflichtet 177<br />

<strong>Die</strong>ses letzte Beispiel zeigt, daß man sich, bezeichnet man die Angebote<br />

als die ,Gebote von heute', von deren Imperativ-Charakter<br />

keine zu geringe Vorstellung machen darf. Nicht nur in den ausgesprochenen<br />

Imperativsätzen liegt das eigentlich Imperativische;<br />

nicht nur in dem lärmenden Reklame-Befehl: „Kauf deine Mozart -<br />

Unterwäsche! Kauf sie sofort! Sie ist ein mustl", äem man ja<br />

schließlich, obwohl man antizipierend bereits als Eigentümer angesprochen<br />

ist, mit etwas Selbstbeherrschung doch noch Widerstand<br />

leisten kann. Vielmehr liegt das Imperativische im Besitz der Produkte<br />

selbst. Deren Befehle, obwohl stumm, dulden in der Tat keinen<br />

"Widerspruch. Jede einmal erworbene Ware verlangt, um verwendbar<br />

zu bleiben, min<strong>des</strong>tens um nicht sofort unbrauchbar zu<br />

werden (auch aus Prestige-Gründen: um von ihr ebenbürtigen Gegenständen<br />

umgeben zu sein) den Kauf weiterer Waren; jede dürstet<br />

nach einer anderen, nein, nach anderen. Und jede macht auch<br />

uns durstig auf andere: Waren kaufen ist nicht schwer, Waren haben<br />

aber sehr. Denn der Eigentümer der Ware hat nun deren Durst<br />

(nach Seifenflocken, nach Gasolin) zum eigenen Durst zu machen.<br />

Und wie schwer es ihm auch fallen mag, die akkumulierenden Mäuler<br />

seiner Eigentum gewordenen Objekte zu stopfen, es bleibt ihm<br />

gar nichts anderes übrig, als deren Bedürfnisse zu übernehmen;<br />

und er tut es, ehe er es noch weiß. Wer A braucht, muß auch B<br />

brauchen, und wer B braucht, auch C. Er benötigt also nicht nur<br />

(wie im Coca Cola-Falle) A immer wieder; vielmehr ganze Generationen<br />

von Waren: B, das von A verlangt, C, das von B gefordert,<br />

D, das von C herbeigerufen wird, und so in infinitum. Mit jedem<br />

Kauf verkauft er sich: Je<strong>des</strong> ist eine Art von Einheirat in eine<br />

kaninchenhaft fortzeugende und akkumulierende Warenfamilie,<br />

die finanziell von ihm unterhalten zu werden verlangt. Das bedeutet<br />

zwar auf der einen Seite eine gewisse Bequemlichkeit: nämlich,<br />

daß man sich kaum mehr Gedanken über seine Lebensführung zu<br />

machen, kaum mehr eigene Entscheidungen zu treffen braucht,<br />

aa einem ja, was es von Tag zu Tag zu tun gilt, jeweils von den<br />

dürstenden Mitgliedern der Warenfamilie zugerufen wird; und<br />

„time goes on". Aber andererseits doch auch, daß man von diesen<br />

tausend Familienmitgliedern, die einen in Gang halten, angestellt,<br />

bevormundet, gejagt wird; daß man sein Leben unter einem Diktat<br />

12 Anders

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