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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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Haben ist Pflicht<br />

heute eben zu erfüllen, auch wenn sie dem eignen „Haben" widerspricht;<br />

ja gerade dann. Auch die Gebote der Angebote sind kategorisch.<br />

Und wenn sie ihr „must'" verkünden, dann ist die Berufung<br />

auf die eigene prekäre SolI-und-Haben-Situation reine<br />

Sentimentalität.<br />

17S<br />

Gewiß, diese Analogie ist eine philosophische Übertreibung; aber<br />

sie übertreibt doch in Richtung Wahrheit. Denn unmetaphorisch<br />

wahr ist es, daß es heute kaum etwas gibt, was im Seelenleben <strong>des</strong><br />

Zeitgenossen eine so fundamentale Rolle spielte wie die Differenz<br />

zwischen dem, was er sich nicht leisten kann und dem, was er nicht<br />

zu haben, sich nicht leisten kann; und daß sich diese Differenz als<br />

ein ,Kampf' verwirklicht. Wenn es einen für den heutigen <strong>Menschen</strong><br />

charakteristischen „Konflikt der Pflichten" gibt — dieser wild<br />

und zermürbend in der Brust der Kunden und im Schoße der Familien<br />

tobende Kampf ist es. Jawohl, „wild tobend" und „zermürbend".<br />

Denn mag uns das Kampfobjekt auch albern und der<br />

Kampf selbst wie eine possenhafte Variante edlerer Konflikte vorkommen<br />

— gegen seine Schärfe besagt das nichts; und als Grundkonflikt<br />

eines bürgerlichen Trauerspiels von heute würde er ausreichen.<br />

Gewöhnlich endet er, wie man weiß, mit dem Siege <strong>des</strong> „Gebotes<br />

<strong>des</strong> Angebotes"; also mit der Anschaffung der Ware. Aber der Sieg<br />

ist teuer erkauft; denn nun beginnt für den Kunden die versklavende<br />

Verpflichtung, das erworbene Objekt abzustottern*<br />

Aber gleich, ob bezahlt oder noch abzustottern: Hat der Käufer<br />

erst einmal das Objekt, dann will er sein Haben auch genießen.<br />

Und da er sein Haben nur genießen kann, wenn er das Objekt<br />

verwendet, verwendet er es, weil er es hat; und wird dadurch <strong>des</strong>sen<br />

Kreatur. Aber nicht nur <strong>des</strong>halb. Da er die Ware nun einmal hat,<br />

kommt es moralisch natürlich nicht in Frage, sie zu haben, ohne<br />

das Maximum <strong>des</strong>sen, was sie bieten könnte, auszunützen. Im Prinzip<br />

wäre das ja nichts anderes, als Brot zu kaufen, ohne es zu essen.<br />

Den Fernseh-Apparat nur zuweilen anzuschalten, das Radio nur<br />

gelegentlich zu benutzen, würde ja bedeuten, auf etwas bereits<br />

Angezahltes oder Bezahltes freiwillig und niemandem zu nutze zu

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