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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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172 <strong>Die</strong> Welt als Phantom und Matrize<br />

jeden Augenblick ausgesetzt sind und die zwar wortlos, aber ohne<br />

Widerspruch zu dulden, an unser „besseres Ich" appelliert, lautet<br />

(oder würde lauten, wenn sie formuliert werden würde): „Lerne<br />

dasjenige zu bedürfen, was dir angeboten wird. 1 "<br />

Denn die Angebote sind die Gebote von heute*<br />

Was wir zu tun und zu unterlassen haben, wird, sieht man von<br />

noch überlebenden Sittenresten aus früheren Epochen ab, heute<br />

definiert durch dasjenige, was wir zu kaufen haben. Uns vom Minimum<br />

jener Käufe, die als sogenannte „musts", also „Muß-Käufe",<br />

angeboten und geboten werden, auszuschließen, ist nahezu unmöglich.<br />

Wer es versucht, exponiert sich der Gefahr, als „introvertiert"<br />

zu gelten, sein Prestige einzubüßen, seine beruflichen Chancen<br />

zu verspielen, sich als mittellos zu dekuovieren; ja sogar der,<br />

sich moralisch und politisch suspekt zu machen. Denn eigentlich<br />

gilt nicht-Käufen als eine Art von Absatz-Sabotage, als eine Bedrohung<br />

der legitimen Ansprüche der Ware; mithin nicht nur als<br />

ein nicht-Tun, sondern als ein positives, dem <strong>Die</strong>bstahl verwandtes,<br />

Vergehen. Wenn nicht sogar als ein noch skandalöseres: Denn während<br />

der <strong>Die</strong>b durch seine (ihrer Art nach gewiß unerwünschte) Aneignung<br />

immerhin bezeugt, daß er, nicht anders als jedermann, eben<br />

als jeder andere Kunde, die Lock-Qualität und das Gebot der Ware<br />

loyal anerkennt, sich also als Konformist bewährt; und, wenn erwischt,<br />

unzweideutig zur Verantwortung gezogen werden kann;<br />

wagt es ja der nicht-Käufer, sich gegen den Ruf der Ware taub zu<br />

stellen, den Warenkosmos durch seinen Verzicht zu beleidigen; und<br />

dann sogar scheinheilig auf das Alibi der Negativität zu pochen,<br />

nämlich darauf, überhaupt nichts getan zu haben; und sich dadurch<br />

wirklich dem Arm der Gerechtigkeit zu entziehen. „Lieber zehn<br />

<strong>Die</strong>be als ein Asket."(Molussisch)<br />

<strong>Die</strong> bloße Tatsache, daß ich keinen Wagen besaß, also in flagranti<br />

<strong>des</strong> nicht-gekauft-Habens bzw. <strong>des</strong> nicht-ßedürfens ertappt<br />

werden konnte, brachte mich im Jahre 41 in Kalifornien in die<br />

folgende Verlegenheit:<br />

Tagebuch<br />

Als ich gestern weit außerhalb von L. A. einen highway entlangwanderte,<br />

sauste mir ein motorisierter Polizist nach und stoppte.

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