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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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15O<br />

<strong>Die</strong> Welt a l s Phantom und Matrize<br />

türlich groß; aber dieser Versuchung nachzugeben, war er doch<br />

nicht fähig, denn der TV-Apparat war ja schließlich seiner, und<br />

nicht nur das, sondern sein bestes Stück, sein Stolz, sein Reputationsmöbel,<br />

dazu noch nicht einmal zur Hälfte abgestottert; ganz<br />

davon zu schweigen, daß er auch ihm als ausschließliche Beschäftigung,<br />

ja als einziger Trost seiner Abende diente. Durch Befriedigung<br />

seiner Wut hätte er sich also ins eigene Fleisch geschnitten.<br />

Da aber nichts so boshaft macht wie der stumm tobende Kampf<br />

zwischen Zerstörungs- und Besitzlust, nichts so wilde Wut schürt<br />

wie gehemmte Wut, kurz: da irgendwohin eben doch geschlagen<br />

werden mußte, am besten auf etwas, was zugleich weniger wertvoll<br />

und doch haltbarer war als der Apparat, schlug er auf sie ein. Aber<br />

auch das blieb vergeblich, denn sie ließ die Prügel stumm, mit<br />

einem Märtyrerblick in Richtung auf ihren Geliebten (der freilich<br />

wenig Notiz davon nahm und sanft weiterflötete) über sich ergehen,<br />

was sie um so eher vermochte, als, wie die späteren Aussagen<br />

vor Gericht bewiesen, der Prügelnde offenbar niemals ganz<br />

vergaß, daß auch ihre Haltbarkeit limitiert, und auch ihr Wert<br />

nicht zu unterschätzen war, also die Wucht seiner Prügel dosierte.<br />

Ihr die Besuche <strong>des</strong> Phantoms zu verbieten, gelang ihm daher<br />

nicht; und ihr die alte Liebe zu ihm wieder einzuprügeln, erst recht<br />

nicht. —<br />

Vermutlich wäre dem so vergeblich Wütenden ein leibhaftiger<br />

Nebenbuhler, ein Konkurrent aus der anständig-reellen Welt, selbst<br />

einer, der seine Frau wirklich verführt hätte, aber den er auch<br />

wirklich die Treppe hätte herunterwerfen können, hundertmal lieber<br />

gewesen als dieser Ungreifbare, für den Hausfriedensbruch<br />

nicht verboten war, der ihm das Haus verleidete, der, selbst nichts<br />

essend, ihn um sein Essen brachte, selbst nicht liebend, ihm seine<br />

Ehe zerstörte, und selbst nichts sehend, seine vorher so alltägliche<br />

Frau in ein augengieriges Wesen verwandelte. Kein Wunder daß<br />

dem Verzweifelten schließlich nichts anderes übrig blieb, als das<br />

verfluchte Phantom vor ein Ultimatum zu stellen, d. h.: ihm einen<br />

Erpresserbrief zu schreiben „get out or . . ." Da die Alternative in<br />

einer Morddrohung gipfelte, und da der Postbote, unvertraut mit<br />

der subtilen Unterscheidung zwischen Phantomen und wirklichen<br />

<strong>Menschen</strong>, den Brief an den Schauspieler X ablieferte, der von der

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