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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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Gespenstergeschichte von heute 149<br />

hätte ausbilden müssen) ganz rudimentär geblieben. Kurz, sie<br />

„hatte" etwas mit ihm; was für sie um so schmeichelhafter war, als<br />

er es ja gewesen war, der angefangen, der sie angesprochen hatte;<br />

er, der täglich zu ihr kam und zu ihr sprach, wenn sie es auch<br />

andererseits nicht hätte leugnen können, daß die Affaire voyeurhaft<br />

geblieben war, und daß ihre Liebesbeteuerungen von ihm niemals<br />

zur Kenntnis genommen worden waren — man sieht: die Angelegenheit<br />

ist jetzt bereits kompliziert und durchaus gespensterhaft.<br />

Dazu kam nun aber, daß es sich um einen Liebhaber<br />

handelte, mit <strong>des</strong>sen Herrenhaftigkeit, <strong>des</strong>sen Charme, <strong>des</strong>sen immer<br />

guter Laune, <strong>des</strong>sen niemals versiegenden Flirt-Ideen in Wettbewerb<br />

zu treten, ihr wirklicher Mann (ein kleiner, geplagter Angestellter<br />

im Gaswerk, mit dem sie vorher zwar nicht gerade enthusiastisch,<br />

aber auch nicht sonderlich schlecht zusammengelebt<br />

hatte) natürlich nicht die geringste Aussicht hatte. Ehe sie begriff,<br />

wie es um sie stand, hatte dieser Wirkliche begonnen, ihr auf die<br />

Nerven zu gehen; ja bald begann sie ihn regulär zu hassen, nicht<br />

zuletzt <strong>des</strong>halb, weil er, offensichtlich aus Bosheit, gerade dann von<br />

der Arbeit nach Hause zu kommen und ausgehungert nach seinem<br />

Essen zu rufen pflegte, wenn ihr Geliebter (der auf Grund<br />

seiner Phantomhaftigkeit die konkurrenzlosen Tugenden besaß,<br />

niemals Essen zu verlangen und sie niemals anzuschreien) sein<br />

Nachmittagsrendezvous gerade erst angetreten hatte. Der Wirkliche<br />

und das Phantom standen also einander gegenüber, die Kollision<br />

war da; wenn auch selbst wieder eine phantom- oder<br />

halbphantomhafte: denn der Wirkliche knirschte zwar mit den<br />

Zähnen, das Phantom dagegen flötete unbekümmert weiter und<br />

behandelte ihn als Luft; der Richtige mußte zwar mit ansehen,<br />

wie seine Frau an den Lippen <strong>des</strong> anderen hing, das Phantom dagegen<br />

mußte garnichts; der Wirkliche war zwar wehrlos, weil der<br />

andere nur ein Phantom war; das Phantom dagegen blieb aus dem<br />

gleichen Grunde souverän. Damit war die Szene für die Clowneske<br />

zwischen Mann und Frau vorbereitet. Daß er den Verhaßten ausknipste,<br />

sie ihn wieder einschaltete — und dies nicht einmal, sondern<br />

wiederholt, war nur die regelmäßige spielerische Ouvertüre<br />

für das, was sich bald zum Furioso entwickeln sollte. <strong>Die</strong> Versuchung,<br />

es ihm zu „zeigen", und zwar ein für alle Male, war na-

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