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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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148 <strong>Die</strong> Welt als Phantom und Matrize<br />

Augenblick in jedermanns Welt statt. Wenn sie oft unbemerkt<br />

bleiben, so nicht nur <strong>des</strong>halb, weil sie schon zu unserem Alltag<br />

gehören (nicht anders als die Kämpfe zwischen Geist und Fleisch);<br />

sondern auch <strong>des</strong>halb, weil viele jener Kreaturen, aus denen sich die<br />

wirkliche Welt zusammensetzt, von den Phantomen bereits endgültig<br />

geschlagen sind, bereits Reproduktionen von Phantomen<br />

darstellen, diesen aufs Haar gleichen: weil also die Verschiedenartigkeit<br />

der Kämpfenden durch den Sieg der Phantome bereits<br />

unkenntlich geworden ist. Daß zahllose wirkliche Girls sich das<br />

Aussehen von Filmbildern gegeben haben: also als Reproduktionen<br />

von Reproduktionen herumlaufen, weil sie, wenn sie sich damit beschieden,<br />

auszusehen wie sie selbst, gegen den sex appeal der Phantome<br />

nicht aufkommen könnten und auf höchst unphantomhafte<br />

Weise: nämlich in ihrem wirklichen und schweren Leben, ins<br />

Hintertreffen geraten würden, das braucht ja kaum bewiesen zu<br />

werden. —<br />

Ein besonders eklatantes Beispiel einer Kollision zwischen Phantom<br />

und Wirklichkeit, und zwar <strong>des</strong> Kampfes eines TV-Phantoms<br />

mit einem Londoner Bürger, ging neulich durch die Presse. Hier<br />

ist es:<br />

Da lebte — oder da lebt — also eine Frau in London, eine kleinbürgerliche<br />

Hausfrau, die von einem apollohaften TV-Star derartig<br />

fasziniert war, daß sie keine Chance, ihn bei sich zu sehen,<br />

ungenutzt verstreichen ließ. Da gab es keinen Ausverkauf, der sie<br />

noch hätte locken, kein Drohwort ihres Mannes, das sie hätte<br />

einschüchtern können — jeden Vormittag um eine bestimmte Zeit<br />

wurde, nachdem sie sich, wenn auch nur für einen Geliebten in<br />

effigie, mit ihrer Sonntagsseife gewaschen und ihr Bestes angezogen<br />

hatte, ihre armselige Wohnküche eine himmlische Viertelstunde<br />

lang zur sturmfreien Bude; und die Sache war höchst real<br />

für sie.<br />

Daß sie ihn mit hunderttausend anderen Frauen zu teilen hatte,<br />

hätte sie, zur Rede gestellt, zwar wohl kaum geleugnet; aber da<br />

sie ihn niemals anders als privat, also in „solistischem Massenkonsum"<br />

gesehen hatte, war die Erfahrung <strong>des</strong> gemeinsamen Besitzes<br />

(die sich im Theater oder im Kino unvermeidlich erweise

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