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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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<strong>Die</strong> Attrappenfamilie 147<br />

Jahrtausende hindurch hatten Götzenbilder echte Gefühle: Respekt<br />

und Demut, erzeugen und beanspruchen, also mißbrauchen<br />

dürfen. Das schien vorbei. Bis man die Stelle der Götteridole mit<br />

Attrappen von <strong>Menschen</strong> besetzte. <strong>Die</strong> in den Rundfunkhäusern<br />

sich ansammelnden Jäckchen für nicht existente Kinder unterscheiden<br />

sich nur wenig von den idolatrischen Gaben, die sich einst auf<br />

den Stufen falscher Altäre angehäuft haben. Der Mißbrauch, der<br />

heute mit den Gefühlen getrieben wird, ist nicht geringer als der<br />

ehemalige. Warum die Indignation über den heutigen Mißbrauch<br />

weniger heftig und weniger gerechtfertigt sein sollte als die über<br />

den ehemaligen, ist unerfindlich. —*<br />

§ 15<br />

<strong>Die</strong> Gespenstergeschichten von heute :<br />

Phantomwelt und Welt kollidieren — Ein Phantom wird erpreßt<br />

Aber die betrogenen Großmütter, die eigentlich schon nicht mehr<br />

von dieser Welt sind, oder an dieser nur noch <strong>des</strong>halb hängen, weil<br />

sie in ihr die Chance von Phantomgefühlen genießen, stellen einen<br />

seltenen, einen zu reinen Fall dar. <strong>Die</strong> Wirklichkeit als Konkurrentin<br />

vollkommen aus dem Felde zu schlagen, sie ganz und gar<br />

zu ersetzen, sich die Emotionen <strong>des</strong> Konsumenten monopolistisch<br />

zu sichern, das gelingt den Phantomen nur ausnahmsweise. Gewöhnlich<br />

tritt etwas anderes ein, ein Mischfall: die Geschöpfe der<br />

zwei verschiedenen Welten geraten aneinander, kollidieren, treten<br />

in Wettbewerb, vermischen sich. Wohlgemerkt die der zwei ontologisch<br />

verschiedenen Welten, nicht wie in den (verglichen mit der<br />

phantastischen Realität von heute phantasielosen) Science Fiction<br />

stories, die Geschöpfe zweier planetarisch verschiedenen Welten.<br />

Kurz: die Normalfälle sind Gespenstergeschichten. Den Ausdruck<br />

nehme man nicht figürlich, denn zum Wesen oder Unwesen von<br />

Gespenstern gehört es eben, daß sie, die Gesellschaft ihresgleichen<br />

verlassend, über die Schwelle ihrer Welt in die unsere herübertreiben<br />

und mit dem Wirklichen in Konflikt geraten. Und das ist<br />

es, was sie heute tun. Tatsächlich finden Gespensterkämpfe jeden

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