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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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Freiheit als Not 141<br />

Idee <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> voraus: Das heißt: der Mensch blieb doch noch<br />

immer als ein Wesen anerkannt, das sogar als überfallenes und<br />

überwältigtes den Anspruch darauf erheben durfte, ein in sich<br />

einheitliches Werk zu erhalten, also eines zu sein; und das eine<br />

doch immerhin noch in sich homogene Niederlage verdiente.<br />

<strong>Die</strong>ser Rest ist heute aber gleichfalls aufgegeben. Das bescheidene<br />

Prinzip reinster Addition gilt als völlig zulänglich. Normal ist<br />

heute die Simultan-Lieferung völlig disparater Elemente; nicht<br />

nur der sachlich, sondern auch der stimmungsmäßig disparaten;<br />

nicht nur der stimmungsmäßig, sondern auch der niveaumäßig<br />

disparaten: Niemand findet heute etwas dabei, beim Frühstücken<br />

im cartoon zu erleben, wie dem Dschungelmädchen das Messer<br />

zwischen die sexüberwölbten Rippen gestoßen wird, während ihm<br />

gleichzeitig die Triolen der Mondscheinsonate in sein Ohr tröpfeln.<br />

Und niemandem bereitet es Schwierigkeiten, bei<strong>des</strong> zugleich aufzunehmen.<br />

— Noch vor kurzem hatte die akademische Psychologie<br />

die Möglichkeit solchen Simultan-Konsums zweier völlig disparater<br />

Inhalte und Stimmungen bestritten. Das heute in jedem Augenblicke<br />

millionenhaft feststellbare Faktum scheint die Möglichkeit<br />

ja immerhin wahrscheinlich zu machen.<br />

Bis heute hatte die Kulturkritik die Zerstörung <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong><br />

ausschließlich in <strong>des</strong>sen Standardisierung gesehen; also darin, daß<br />

dem, in ein Serienwesen verwandelten, Individuum eine nur noch<br />

numerische Individualität übriggelassen wird- Selbst diese numerische<br />

Individualität ist nun also verspielt; der numerische Rest ist<br />

selbst noch einmal „dividiert", das Individuum in ein „Divisum"<br />

verwandelt, in eine Mehrzahl von Funktionen zerlegt. Weiter kann<br />

offenbar die Zerstörung <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> nicht gehen; inhumaner<br />

kann offenbar der Mensch nicht werden. Um so abstruser und<br />

scheinheiliger ist die von der heutigen Psychologie mit Pathos und<br />

Aplomb gefeierte „Renaissance ganzheitlicher Gesichtspunkte",<br />

die in der Tat nur ein Manöver ist, um die Scherben <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong><br />

unter der akademischen Toga der Theorie zu verbergen.

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