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Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

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132 <strong>Die</strong> Welt als Phantom und Matrize<br />

<strong>des</strong>sen Gegenwart festzuhalten; oder es war seinem Gegenstand<br />

vorausgegangen, als magisches Provokationsgerät oder als Idee,<br />

blue print, Vorbild, um dann, vom verwirklichten Ereignis oder<br />

Gegenstand eingeholt, zu verschwinden; oder es war schließlich<br />

— und selbst dieser Neutralisierungsmodus stellt noch ein Verhältnis<br />

zur Zeit dar — ein Mittel gewesen, durch das wir uns in<br />

eine Dimension außerhalb der Gegenwart, ja jenseits der Zeit,<br />

versetzten oder zu versetzen vermeinten. Es wäre schwer, Bilder<br />

zu nennen, in denen keines dieser Zeitverhältnisse <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong><br />

zur Welt wirksam gewesen wäre; und ob Gebilde, denen dieses<br />

Gefälle fehlt, „Bilder" genannt werden dürfen, ist zweifelhaft.<br />

Solche Gebilde aber sind die Bilder, die die Television vermitteln:<br />

Denn von einem Zeitverhältnis zum Abgebildeten kann bei diesen,<br />

obwohl sie filmisch in der Zeit ablaufen, nicht mehr gesprochen<br />

werden. Was wir „Zeitgefälle" nannten, ist bei ihnen zu Null<br />

zusammengeschrumpft; sie treten mit den von ihnen abgebildeten<br />

Ereignissen simultan und synchron auf; sie zeigen, nicht anders<br />

als das Teleskop, Gegenwärtiges. Und bedeutet das nicht „Anwesenheit"?<br />

Sind Gebilde, die Anwesen<strong>des</strong> zeigen, Bilder?*<br />

Unbemerkt ist dieses Problem nicht geblieben; aber seine Benennung<br />

blieb unzulänglich. Man griff nämlich, was gewiß nahe<br />

]ag, auf den bereits bestehenden Ausdruck „Momentaufnahme"<br />

zurück und glaubte das Phänomen damit abfertigen zu können.<br />

Aber der Ausdruck verschleiert das Problem gerade. Momentaufnahmen<br />

sind ja, da sie den vergänglichen Augenblick festhalten<br />

wollen, Bilder im legitimsten Sinne: nämlich Denkbilder; ihrer<br />

Bildfunktion nach also Denkmälern, ja selbst Mumien, näher als<br />

den TV-Phantomen. Von solchem Festhalten ist nun aber bei diesen<br />

Phantomen keine Rede mehr, weil sie ja mit den Ereignissen,<br />

die sie reproduzieren, nicht nur zugleich auftreten, sondern auch<br />

zugleich verschwinden: also, es sei denn, sie würden selbst noch<br />

einmal festgehalten, genau so kurzlebig sind wie diese. Sind sie<br />

Momentbilder, so höchstens Bilder <strong>des</strong> Moments für den Moment,<br />

also den Spiegelbildern verwandt: denn diese sind ja simultan<br />

und synchron und mitsterblich mit dem gespiegelten Anblick; also<br />

in jeder Hinsicht reine Gegenwart.<br />

Aber treiben wir hier nicht ein bloßes Spiel mit dem Wort „Ge-

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