12.01.2014 Aufrufe

Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 1

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

122<br />

Unmöglich, ist die erste Reaktion. Und zwar <strong>des</strong>halb unmöglich,<br />

weil der Warencharakter bekanntlich ja verfremdet; und weil die<br />

„Verbiederung", die vertraut macht, gerade die Antipodin der Entfremdung<br />

zu sein scheint.<br />

Aber so einfach liegt die Sache nicht. So wahr es nämlich ist,<br />

daß sich alles in Ware Verwandelte verfremdet, so wahr ist es<br />

gleichzeitig, daß sich jede Ware, da sie gekauft werden und ein<br />

Stück unseres Lebens werden will, auch verbiedern muß. Genauer<br />

sieht das so aus:<br />

Jede Ware tendiert, so zu sein, daß sie bei Verwendung handlich,<br />

auf Bedürfnis, Lebensstil und -Standard zugeschnitten, mundoder<br />

augengerecht ist. Ihr Qualitätsgrad ist durch den Grad dieser<br />

ihrer Angemessenheit definiert; negativ ausgedrückt: er hangt davon<br />

ab, wie gering der Widerstand ist, den sie ihrem Verwendetwerden<br />

entgegensetzt; und wie wenig unverarbeitbare Fremdreste<br />

ihr Genuß übrigläßt. Da nun auch die Sendung eine Ware ist,<br />

muß auch sie in äugen- oder ohrengerechtem, in einem optimal<br />

genußbereiten, entfremdeten, entkernten, assimilierbaren Zustande<br />

serviert werden; also so, daß sie uns als unser Simile, nach unserem<br />

Maße Zugeschnittenes, als unsereins anspricht.<br />

So gesehen, scheint die Verbiederung ihr Odium eigentlich zu<br />

\'erlieren und auf nichts anderes herauszulaufen als auf die fundamentale<br />

Tatsache, daß wir, als homines fabri „etwas aus etwas<br />

machen", die W 7 elt nach Maß für uns umarbeiten: also auf „Kultur"<br />

im breitesten Sinne. Daß je<strong>des</strong> Machen eine Art von „Verbiederung"<br />

ist, ist zwar in gewissem Sinne unbestreitbar; nur wäre<br />

diese breiteste Verwendung <strong>des</strong> Ausdrucks, mit dem wir ja etwas<br />

Verächtliches verbinden, völlig deplaciert, da wir ja schließlich<br />

dem Machen das, was es ist, nicht als seinen Kapitaldefekt anrechnen<br />

können; nicht z. B. dem Tischlern, daß es uns nicht Holz als<br />

Holz liefert, sondern aus Holz hergestellte Tische, die uns ungleich<br />

angemessener sind. Darin liegt wahrhaftig nichts Betrügerisches.<br />

Betrügerisch wird die Anmessung erst dadurch, daß sie<br />

ein Gemachtes so anbietet, als sei es dasjenige, woraus es gemacht<br />

wird. Und das ist der Fall bei der verbiederten Welt: Denn diese ist<br />

ein Produkt, das sich auf Grund seines Warencharakters, zum<br />

Zwecke seiner Verkäuflichkeit, in den Maßen <strong>des</strong> Käufers anbietet

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!