12.01.2014 Aufrufe

Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert

Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert

Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

scher <strong>und</strong> patriotischer Zwecke ... wie es die großen öffentlichen .... Denkm~ler<br />

der Alten waren". Das Denkmal soll am Rande der Stad~. hegen, u~ dl:<br />

"Sphäre e<strong>in</strong>es solchen Heiligtums" den "profanen ~nd skandalosen ~u~~ntten.<br />

der Stadt zu entziehen. Im Mittelpunkt e<strong>in</strong>er welten Platzanlage 1st uber eInem<br />

dunklen Unterbau mit Gruft <strong>und</strong> Sarkophag des Königs e<strong>in</strong> großer, h~~l<br />

gehaltener dorischer Tempel vorgesehen, dar<strong>in</strong> die. thro~.en~e Gestalt des Konigs,<br />

des "Heros der Menschheit", der doch zugleIch "fu: Immer der Schu~~geist<br />

se<strong>in</strong>es Volkes" ist, als Herkules oder Ju?iter, ",~ntkl~ldet. von allen Zu~alligkeiten<br />

des Lebens, der Nation <strong>und</strong> des Zeltalter~ 12. Fur Gl.lly verband sIch,<br />

wie hier deutlich wird, das Nationale noch voll mIt de~ Antik-Humanen: das<br />

Nationale <strong>und</strong> das Menschheitlich-Weltbürgerliche lagen~ versc.hwls:ert<br />

nebene<strong>in</strong>ander, e<strong>in</strong>e Haltung freilich, die, das zeigt der Kostümstr~lt, nlcht<br />

mehr allgeme<strong>in</strong> verb<strong>in</strong>dlich war. Die Formidee des D~nkmals e~tspncht de~<br />

revolutionären Klassizismus, dem Ideal der ErhabenheIt <strong>und</strong> Große, der NeIgung<br />

zum Monumentalen, ja Ungeheuren <strong>und</strong> zu de~ e<strong>in</strong>fa~hste~ <strong>und</strong> klaren<br />

Formen, zu e<strong>in</strong>em männlich heldischen <strong>und</strong> herben Stil, <strong>und</strong> m dIeser De.utun g<br />

ersche<strong>in</strong>t die dorische Form als die Friedrichs alle<strong>in</strong> würdige. Aber noc~ m anderer<br />

Beziehung ist der Tempel e<strong>in</strong> symbolischer Bau, er repräsentiert eme Unendlichkeit<br />

des Universums, er will "Empf<strong>in</strong>dungen des Universums" .wecken;<br />

auf e<strong>in</strong>em se<strong>in</strong>er Entwürfe bemerkt Gilly: "E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges, der MenschheIt ehrenvolles<br />

Monument ... Pantheon das Weltall", oder er spricht davon, mit dem<br />

hellen Material des Tempels, die "erhabene Wirkung se<strong>in</strong>es Sch<strong>im</strong>mers gegen<br />

den H<strong>im</strong>mel desto auffallender (zu) machen". Auch der Aufbau des Baues von<br />

der Totengruft zum Tempel mit der Apotheose des Helden vers<strong>in</strong>nlicht diesen<br />

. . U b 13<br />

Zug, die begrenzte Form verweIst ms n egrenzte . . .. .<br />

Für das Problem des <strong>Nationaldenkmal</strong>s s<strong>in</strong>d an dIesen Entwurfen z-;el Momente<br />

besonders hervorzuheben. E<strong>in</strong>mal: das nationale Denkmal hat emen :akralen<br />

Charakter, es ist Tempel <strong>und</strong> Heiligtum, herausgehoben aus d~~ Getneb'e~'der"'Staat,<br />

der Weg zu dieser Stätte ist als ~:~l,lf~~::,sweg konzIpIert, <strong>und</strong><br />

kultisch-religiöse Feiern sollen dort begangen werden. Das Denkmal mutet darllm<br />

dem Besucher e<strong>in</strong>e andächtige, glaubensähnliche St<strong>im</strong>mung zu, der Tempel,<br />

heißt es bei Gilly, "erfülle mit ehrfurchtsvollem Schauder schon aus der Ferne<br />

den sich nahenden Wanderer"14. Wir haben hier e<strong>in</strong>en Ansatz zur Erhebung<br />

des Profanen <strong>in</strong>s Sakrale, zur Sakralisierung der Nation, <strong>und</strong> damit e<strong>in</strong>e. korrespondierende<br />

Ersche<strong>in</strong>ung zu der Säkularisierung christlicher Gehalte m dem<br />

vom Pietismus bee<strong>in</strong>flußten Patriotismus der Jahrh<strong>und</strong>ertwende 15 .<br />

Zum andern: diese Entwürfe zeigen e<strong>in</strong>e ästhetische Struktur, die für das<br />

<strong>Nationaldenkmal</strong> überhaupt konstitutiv wird. Das Denkmal ist mehr als es<br />

selbst; was dargestellt wird, steht nicht für sich selbst, sondern vertritt, re~räsentiert<br />

etwas, <strong>und</strong> zwar so, daß Repräsentierendes <strong>und</strong> Repräsentierte~ nlcht<br />

identisch s<strong>in</strong>d. Das Denkmal verweist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er begrenzten Gestalt auf em,U~b~SEen:g~s<br />

- ja Unendliches, <strong>in</strong> .se<strong>in</strong>er ~ich:barkeit .a~f ei~ ynsicht~ares, m<br />

se<strong>in</strong>er Bed<strong>in</strong>gtheit auf e<strong>in</strong> Unbedmgtes, m semer Indlvlduaht~t auf em Allgeme<strong>in</strong>es,<br />

auf e<strong>in</strong>e Idee, es hat formal e<strong>in</strong>e sich selbst transzendIerende Struktur,<br />

138<br />

es hat Verweisungscharakter . Indem es nun e<strong>in</strong>e unendliche Idee repräsentiert,<br />

stellt es zugleich e<strong>in</strong>en Geltungsanspruch an den Betrachter: das Denkmal mutet<br />

dem Betrachter e<strong>in</strong> subjektives Empf<strong>in</strong>den <strong>und</strong> Erleben an, die Idee des<br />

Denkmals vollendet sich erst <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>stellung des Betrachters. Der Betrachter<br />

muß jene Verweisung nach- <strong>und</strong> mitvollziehen, dazu muß er durch das<br />

Kunstwerk "gest<strong>im</strong>mt" werden 16 . Verweisung <strong>und</strong> Anspruch also konstituieren<br />

wechselseitig das Denkmal, das macht se<strong>in</strong>e Spannung <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Problematik<br />

aus, dar<strong>in</strong> gründet auch die Möglichkeit, daß es sakrale Funktion gew<strong>in</strong>nen<br />

kann. Dieser allgeme<strong>in</strong>en Struktur des modernen Denkmals entspricht nun <strong>im</strong><br />

besonderen die Struktur e<strong>in</strong>es <strong>Nationaldenkmal</strong>s. Auch die Nation ist e<strong>in</strong>e<br />

Idee, e<strong>in</strong> Unsichtbares, das <strong>im</strong> Sichtbaren dargestellt werden soll, auch die Idee<br />

der Nation ist etwas über jede reale Gestalt H<strong>in</strong>ausliegendes, auf das diese Gestalt<br />

nur verweisen kann. Auch die Idee der Nation stellt e<strong>in</strong>en Anspruch an<br />

den e<strong>in</strong>zelnen, sie fordert subjektive Realisierung, ihre Identität stellt sich erst<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ständigen dynamischen Prozeß der Identifizierung her <strong>und</strong> dar; es ist<br />

für den Nationalismus seit dem <strong>19.</strong> Jh. charakteristisch, daß sich die <strong>Nationalidee</strong><br />

<strong>im</strong> subjektiven Bewußtse<strong>in</strong> ständig <strong>in</strong>tensivieren <strong>und</strong> ihrer selbst vergewissern<br />

muß; auch die Idee der Nation also ist durch Verweisung <strong>und</strong> Anspruch<br />

konstituiert. So ko<strong>in</strong>zidieren Strukturmerkmale des Denkmals <strong>und</strong> der <strong>Nationalidee</strong>,<br />

<strong>und</strong> von daher best<strong>im</strong>mt sich die Struktur des <strong>Nationaldenkmal</strong>s.<br />

Schließlich: das Denkmal kann das, worauf es verweist, nicht mehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Welt objektiv geltender <strong>und</strong> selbstverständlicher Symbole anschaulich machen,<br />

daher muß der Künstler e<strong>in</strong>erseits nach Symbolen <strong>in</strong> der Historie, der Allegorie<br />

oder dem Mythos suchen, <strong>und</strong> über die Aussagekraft e<strong>in</strong>es Symbols kann<br />

gestritten werden - wie um das Kostüm Friedrichs -, andererseits muß der<br />

Künstler die Symbole der subjektiven Interpretation der unterschiedlich gebildeten<br />

Betrachter anhe<strong>im</strong>geben oder allenfalls versuchen, diese subjektive Deutung<br />

zu lenken - das aber bleibt <strong>im</strong>mer problematisch. In dieser ästhetischen<br />

Problematik gründet die künstlerische Schwierigkeit bei der Gestaltung von<br />

Nationaldenkmälern <strong>im</strong> <strong>19.</strong> Jh. überhaupt.<br />

Doch zurück zu den"konkreten Sachverhalten. Die Pläne e<strong>in</strong>es Denkmals für<br />

Friedrich den Großen s<strong>in</strong>d no~h längere Zeit erörtert worden, Friedrich Wilhelm<br />

111. hat zunächst diese "Nationalangelegenheit" weitertreiben wollen 17 ,<br />

aber nach dem Tode von He<strong>in</strong>itz (1802) schlief die Sache e<strong>in</strong>. In den 20er Jahren<br />

.griffe~ Rauch <strong>und</strong> Sch<strong>in</strong>kel die Idee erneut auf. 1829 regten - auf Initiative<br />

des Freiherrn von Rochow - die kurmärkischen Stände an, das Denkmal<br />

durch e<strong>in</strong>e nationale Sammlung <strong>in</strong> ganz Preußen zustande zu br<strong>in</strong>gen, der König<br />

behielt aber nach langen Beratungen, wiederum <strong>im</strong> dynastischen S<strong>in</strong>ne, die<br />

Angelegenheit "se<strong>in</strong>er höchsteigenen Fürsorge" vor 18 . Immerh<strong>in</strong> kam die Sache<br />

wieder <strong>in</strong> Gang, <strong>und</strong> die nächsten zehn Jahre waren von e<strong>in</strong>er fortlaufenden<br />

Diskussion um <strong>im</strong>mer neue Entwürfe von Sch<strong>in</strong>kel <strong>und</strong> Rauch best<strong>im</strong>mt;<br />

Rauch spricht, soweit ich sehe, 18~Q als erster von dem "<strong>Nationaldenkmal</strong>"19,<br />

der Großherzog von Mecklenburg 1835 von dem "nationare~ Monument, sei-<br />

139

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!