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Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert

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aber steht e<strong>in</strong>e .unsicherheit, e<strong>in</strong>e gehe<strong>im</strong>e Angst vor der Auflösung der Volksgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>und</strong> dem Machtverlust <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er glücklosen Weltpolitik. Der dem<br />

Begriff der Nation <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>in</strong>härente dynamische Bezug, daß Nation<br />

nicht ist, sondern ständig erst wird, <strong>und</strong> daß das deutsche Nationalgefühl darum<br />

ständig <strong>in</strong>tensiviert werden müsse: das kommt auch <strong>und</strong> gerade <strong>in</strong> der Bewegung<br />

filr die Bismarck-Denkmäler zum Ausdruck.<br />

VII.<br />

Wenn wir zusammenfassend auf die behandelten Typen des <strong>Nationaldenkmal</strong>s<br />

<strong>und</strong> die Fliil~~d~~~ih~~~'~~ugeordneten e<strong>in</strong>zelnen Denkmäler <strong>und</strong> Entwürfe<br />

zurückblicken, so ergeben sich e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Reihe positiver <strong>und</strong> negativer Geme<strong>in</strong>samkeiten:<br />

es ergeben sich Merkmale, die das deutsche <strong>Nationaldenkmal</strong><br />

als e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches Phänomen begreifen lassen. Die Idee des <strong>Nationaldenkmal</strong>s<br />

ist <strong>in</strong> der Zeit <strong>und</strong> unter dem E<strong>in</strong>druck der Französischen Revolution <strong>und</strong> der<br />

Freiheitskriege entstanden, <strong>und</strong> zwar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Mehrzahl von Ausprägungen,<br />

<strong>und</strong> die Idee wie die Ausprägungen der Entstehungszeit haben die Geschichte<br />

des <strong>Nationaldenkmal</strong>s <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> e<strong>in</strong> Jahrh<strong>und</strong>ert lang fast durchweg best<strong>im</strong>mt<br />

oder doch mitbest<strong>im</strong>mt. Die Anschauung war dem Jahrh<strong>und</strong>ert noch<br />

,e<strong>in</strong>e lebendige Wirklichkeit <strong>und</strong> Kraft, ja die Kunst gewann gerade <strong>in</strong>nerhalb<br />

der Wertordnung des gebildeten Bürgertums e<strong>in</strong>en besonders hohen Stellenwert;<br />

nach Kirche, Rathaus <strong>und</strong> S.chloß wurde nun <strong>in</strong> dem vom Bürgertum geprägten<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert das Denkmal neben Museum <strong>und</strong> Theater zum repräsentativen<br />

öffen~l~ch~JJ Bau. In di~en Zusammenhang gehört die Idee des <strong>Nationaldenkmal</strong>s~<br />

Es sollte Symbol der nationalen Identität se<strong>in</strong>: <strong>und</strong> von ihm her<br />

sollte e<strong>in</strong> <strong>im</strong>mer erneuter Anstoß zum Gew<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Befestigen der Identität<br />

ausgehen, es hatte e<strong>in</strong>en spezifischen nationalpädagogischen S<strong>in</strong>n, e<strong>in</strong>en dynamischen<br />

Anspruch, wie er der Struktur des neueren Nationalismus entsprach.<br />

Und da <strong>im</strong> Zeitalter des Nationalismus die Nation <strong>in</strong> die Reihe der höchsten<br />

Werte e<strong>in</strong>rückte, ja zum <strong>in</strong>nerweltlich höchsten Wert werden konnte, war mit<br />

der Idee des <strong>Nationaldenkmal</strong>s vielfach mehr oder m<strong>in</strong>der explizit die Idee e<strong>in</strong>er<br />

nationalen KultJ' verb<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> auch die Bauform der Denkmäler enthielt<br />

kultische Züge, Rem<strong>in</strong>iszenzen <strong>und</strong> Ansprüche. Die Verb<strong>in</strong>dung der Idee<br />

des <strong>Nationaldenkmal</strong>s mit rel~sen Elementen Nationalkirche <strong>und</strong> Nationaltempel<br />

- oder die am jährh<strong>und</strong>ertanfang wie am Jahrh<strong>und</strong>ertende best<strong>im</strong>mende<br />

Tendenz, die <strong>im</strong> Denkmal dargestellten Personen oder Ereignisse<br />

mythisch zu erhöhen, <strong>und</strong> damit die Nation selbst, oder die zahlreichen Berufungen<br />

auf die germanische Urgeschichte gehören <strong>in</strong> diese Richtung; nur <strong>in</strong> der<br />

Zeit des historistisch gep;~gt;;;'lndividualdenkmals <strong>und</strong> des nichtarchitektonischen<br />

allegorischen Denkmals, von Rauchs Friedrichs-Denkmal bis zum Niederwalddenkmal,<br />

treten diese kultisch mythischen Züge zurück oder werden <strong>in</strong><br />

den Historismus aufgehoben; das Hermanns-Denkmal ~Urrd<strong>in</strong>gs hält trotz se<strong>in</strong>er<br />

Form durch die Wahl se<strong>in</strong>es Helden die mythische D<strong>im</strong>ension offen.<br />

170<br />

-- .....<br />

Schließlich gehört <strong>in</strong> diesen Zusammenhang die fast durchgängige Vorliebe für<br />

das stadtferne Denkmal, das Bergheiligtum, <strong>in</strong> ihr zeigt sich, wie Nation <strong>und</strong><br />

Geschichte jenseits der Zivilisation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em übergeschichtlichen Gr<strong>und</strong> festgemacht<br />

werden, 'i~dem sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en "tieferen" Bezug zu der religiös verklärten<br />

Natur, die zum Abbild der Unendlichkeit <strong>und</strong> zur eigentlichen Region der Seele,<br />

ja der deutschen Seele wird, gestellt werden. Aber, das ist nun die negative<br />

Geme<strong>in</strong>samkeit, das <strong>Nationaldenkmal</strong> ist <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> fast das ganze<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert h<strong>in</strong>durch mehr Idee <strong>und</strong> Anspruch als anerkannte Wirklichkeit.<br />

Im mittelpunktlosen Land hat es ke<strong>in</strong>en eigentlichen Ort, die Denkmäler bleiben<br />

Jm~s G·tib~~ clasL~nd verstreut, jeder Ortswahl etwas Künstliches<br />

an, erst mit der Allgegenwart der Bismarck-Denkmäler sche<strong>in</strong>t dieses Problem<br />

gelöst. Der nationale Stil als Ausdruck der <strong>im</strong> Denkmal präsenten nationalen<br />

Idee blieb <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Jahrh<strong>und</strong>ert, das mit dem Klassizismus begann <strong>und</strong> ihn<br />

dann durch e<strong>in</strong>e <strong>im</strong>mer noch ansteigende Stilunsicherheit <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en dementsprechenden<br />

Stilpluralismus ersetzte, e<strong>in</strong>e Illusion, so sehr sich Künstler <strong>und</strong><br />

Kritiker darum bemühten. Das "Nationale" ist darum niemals unbestritten zur<br />

künstlerischen Form geworden. Vor allem aber blieb d~f};halt des <strong>Nationaldenkmal</strong>s<br />

problematisch. Die Vielzahl der <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>'rebendigen staatlichen,<br />

kulturellen, historischen <strong>und</strong> politischen Traditionen <strong>und</strong> der Streit um<br />

diese Traditionen haben bewirkt, daß wiederum bis fast zum Ende des Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

ke<strong>in</strong> Ereignis <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e Person, ke<strong>in</strong>e Allegorie <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e Sammlung<br />

der großen Deutschen e<strong>in</strong>deutig den Rang e<strong>in</strong>es nationalen Symbols errungen<br />

hat. Die E<strong>in</strong>heit der Ereignisse, <strong>in</strong> denen die nationale Bewegung gründete, der<br />

Freiheitskriege, zerrann <strong>in</strong> der partikularstaatlichen Wirklichkeit <strong>und</strong> der<br />

Mehrzahl der Auslegungen; selbst die Reichsgründung, die für alle zum nationalen<br />

Ereignis geworden war, blieb <strong>in</strong> ihrer Deutung umstritten, die liberalmonarchischen,<br />

die dynastischen, die machtstaatlichen <strong>und</strong> die <strong>in</strong>tegral-nationalen<br />

Momente standen nebene<strong>in</strong>ander <strong>und</strong> gewannen - trotz mancher Kompromisse<br />

<strong>in</strong> verschiedenen Denkmalsgruppen Gestalt: Niederwalddenkmal,<br />

Kaiser-Wilhelm-Denkmäler <strong>und</strong> Bismarck-Türme beziehen sich eben ganz verschieden<br />

auf die Reichsgründung. In den Denkmälern, die Nationaldenkmäler<br />

zu se<strong>in</strong> beanspruchten, treten so die gegensätzlichen Ausprägungen des deutschen<br />

Nationalbewußtse<strong>in</strong>s zutage: das ~~f~Pionarchi~che:"'das national~mokratische,<br />

das n~tionakhristliche unl"das nationalkulturelle BewuIStse<strong>in</strong>; das<br />

Unterschiedliche i7t;' gleich~eitig. Gerade darum abe't'konnte kaum e<strong>in</strong>es den<br />

Anspruch, Symbol der nationalen Integration zu se<strong>in</strong>, real erfüllen. Und als <strong>in</strong><br />

den Bismarck-Denkmälern die gegensätzlichen nationalen Traditionen zu verschmelzen<br />

schienen, war die nationale E<strong>in</strong>heit durch Sozialistengesetz <strong>und</strong><br />

Klassenkampf erneut zerspalten: diese Denkmäler richteten sich gerade gegen<br />

e<strong>in</strong>en Teil der Nation, auch ihr Anspruch auf nationale Repräsentanz blieb<br />

fragwürdig.<br />

Neben diesen Geme<strong>in</strong>samkeiten <strong>in</strong> Idee, Wirklichkeit <strong>und</strong> Problematik der<br />

Nationaldenkmäler lassen sich L<strong>in</strong>ien der historischen Entwicklung <strong>und</strong> Veränderung<br />

feststellen. Es ändert sich die Gestalt des Denkmals. Auf die symboli-<br />

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