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Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert

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deten Kugel darauf, darum herum mit Wall <strong>und</strong> Graben umgeben "geheiligtes<br />

Land", das künftig als Kirchhof großer Deutscher dienen soll. Das Ganze ist<br />

"e<strong>in</strong> echt germanisches <strong>und</strong> echt christliches" Denkmal, "woh<strong>in</strong> unsere Urenkel<br />

noch wallfahrten gehen würden"88. Charakteristisch ist hier zunächst wieder<br />

die Ausgestaltung des Denkmalsbezirks zu e<strong>in</strong>em sakralen Feierbezirk <strong>im</strong> S<strong>in</strong>n<br />

e<strong>in</strong>er engen Verb<strong>in</strong>dung von Nationalgefühl <strong>und</strong> Christlichkeit, sodann die<br />

entschiedene auch formale Wendung zum Frühgeschichtlich-Germanischen <strong>und</strong>,<br />

das hängt damit zusammen, der demokratische Akzent: das Denkmal ist Denkmal<br />

des Volkes, das jenseits der bestehenden Staaten durch rat <strong>und</strong> Bewußtse<strong>in</strong><br />

der Freiheitskriege politisch konstituiert ist. Schließlich ist das Denkmal<br />

- anders als Sch<strong>in</strong>kels Dom oder e<strong>in</strong> von Klenze entworfenes Denkmal des<br />

Weltfriedens, Projekte, die dem gleichen Anlaß entsprangen - durch die Wahl<br />

des Ortes <strong>und</strong> die Deutung se<strong>in</strong>es S<strong>in</strong>nes ausdrücklich <strong>und</strong> unmittelbar auf e<strong>in</strong>en<br />

Fe<strong>in</strong>d bezogen: die Struktur des frühen deutschen Nationalismus, der sich<br />

erst an e<strong>in</strong>em Fe<strong>in</strong>de <strong>und</strong> gegen ihn konstituiert, ist hier unmittelbar präsent.<br />

Diese <strong>und</strong>·"a;:;d~~~"··Anregungen haben e<strong>in</strong>e Reihe von Plänen hervorgerufen,<br />

so die erwähnten Pläne der Denkmalskirchen, so Friedrich We<strong>in</strong>brenners "Idee<br />

zu e<strong>in</strong>em teutschen <strong>Nationaldenkmal</strong> des entscheidenden Sieges bei Leipzig"89.<br />

We<strong>in</strong>brenner zuerst knüpfte, das ist charakteristisch <strong>und</strong> bedeutungsvoll, an die<br />

alte Reichssymbolik <strong>und</strong> den Mythos vom wiedererstehenden Reich an, <strong>in</strong>dem<br />

er <strong>im</strong> Unterbau se<strong>in</strong>es Denkmalstempels e<strong>in</strong>e sitzende Germania darstellt, die<br />

"schüchtern den Trauerschleier" hebt <strong>und</strong> den Reichsapfel "halb erschrocken<br />

wieder als selbständiges Wesen hervorblicken" läßt; auch bei ihm ist die Verb<strong>in</strong>dung<br />

von Kirche <strong>und</strong> <strong>Nationaldenkmal</strong> <strong>und</strong> die Idee kultischer Feste sehr<br />

deutlich; trotz mancher <strong>im</strong> literarischen Entwurf wie <strong>im</strong> Bauprogramm enthaltenen<br />

Konzessionen an die monarchische Idee ist der Bau e<strong>in</strong> Denkmal des<br />

Volkes, "der teutschen Nation" jenseits der staatlichen Begrenzung, <strong>und</strong> darum<br />

eben schon e<strong>in</strong> nationaldemokratisches Denkmal. Aber diese Ideen blieben<br />

rräume der Künstler <strong>und</strong> Patrioten; seit der beg<strong>in</strong>nenden Restauration war an<br />

e<strong>in</strong> Denkmal für die Erhebung des Volkes, e<strong>in</strong> nichtmonarchisches <strong>und</strong> nichtföderalistisches<br />

politisches <strong>Nationaldenkmal</strong> nicht mehr zu denken.<br />

Die Kelhe<strong>im</strong>er Befreiungshalle (1863) ist das eiIgig~"_PS!nkmal mit nationalem<br />

Anspruch, das fücl§Jl..igI.12.jh. gebaut worden ist. Aber dieses Denkmal<br />

ist n\c,.ht mehr e<strong>in</strong> Denkmal des Volkes: es ist e<strong>in</strong>e Id.c:e Ludwigs 1. von Bayern,<br />

monarchisch gestiftet <strong>und</strong> vom König f<strong>in</strong>anziert, "den deutschen Befreiungskämpfern<br />

Ludwig 1. König von Bayern" sagt die Widmung auf der Inschrift;<br />

es steht an ke<strong>in</strong>em historisch s<strong>in</strong>nvollen Ort mehr <strong>und</strong> ist nicht e<strong>in</strong>mal zentral<br />

gelegen. Vor allem aber: die politische Idee des Denkmals ist die der staatenbündischen<br />

E<strong>in</strong>igkeit <strong>Deutschland</strong>s. "Vergessen wir nie, was dem Befreiungskampf<br />

vorhergegangen ... <strong>und</strong> was den Sieg uns verschafft! ... S<strong>in</strong>ken wir nie<br />

zurück <strong>in</strong> der Zerrissenheit Verderben! Das vere<strong>in</strong>igte <strong>Deutschland</strong> - es werde<br />

nicht überw<strong>und</strong>en!", so war das Programm Ludwigs bei der Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong>legung<br />

am <strong>19.</strong>10. 1842, am Tage nach der E<strong>in</strong>weihung der Walhalla 90 • Und bei der<br />

E<strong>in</strong>weihung am 18.10. 1863 sagte Ludwig <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne: "Möchten die<br />

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reutschen nie vergessen, was den Befreiungskampf notwendig machte <strong>und</strong> wodurch<br />

sie gesiegt", <strong>und</strong> diese Worte s<strong>in</strong>d <strong>im</strong> Inneren <strong>in</strong> den Boden e<strong>in</strong>gelassen<br />

91 • Geme<strong>in</strong>t ist selbstverständlich, <strong>und</strong> <strong>in</strong> anderen Festreden ist das noch<br />

deutlicher apostrophiert, e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> E<strong>in</strong>tracht, wie sie <strong>im</strong> Deutschen<br />

B<strong>und</strong>e wirklich geworden war. IJas"lwmmt auch <strong>in</strong> der Bauform zUIll Ausa:ru~k.<br />

Zunächst ist bei diesem Bau, e<strong>in</strong>em 18eckigen überkuppelten Zentralbau,<br />

noch die sakrale, kirchenähnliche St<strong>im</strong>mung so vieler Nationaldenkmäler<br />

<strong>und</strong> <strong>Nationaldenkmal</strong>sentwürfe ganz offenk<strong>und</strong>ig. Wichtiger aber ist die architektonisch-plastische<br />

Repräsentierung der Nation durch ihre Stämme. Im<br />

Inneren stehen <strong>im</strong> Kranze 34 Viktorien, die sich <strong>in</strong> zeitgemäßer Poetisierung<br />

der E<strong>in</strong>tracht wechselweise die Hände reichen <strong>und</strong> 17 Schilde mit den Namen<br />

der Schlachten der Befreiungskriege halten. An der Außenfront wiederholt sich<br />

das B<strong>und</strong>esmotiv : hier stehen 18 germanische Jungfrauen, die auf Schilden die<br />

Namen der, etwas mühsam auf die 18 gebrachten, deutschen Volksstämme tragen.<br />

Die Befreiungshalle ist so nach politischer Intention wie Bauidee zu e<strong>in</strong>em<br />

Denkmal des deutschen Föderalismus geworden. Aber 1863 war sie schon nur<br />

mehr e<strong>in</strong> merkwür~~g;:;i~~der patriotischen Ges<strong>in</strong>nung Ludwigs <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Generation, nationale Resonanz konnte dies Denkmal, das die Ideen von<br />

1813 zur staatenbündischen E<strong>in</strong>tracht pazifiziert hatte, für die liberalnationale<br />

Bewegung der 60er Jahre nicht mehr gew<strong>in</strong>nen.<br />

Gerade 1863 wurde der nationaldemokratische Gedanke e<strong>in</strong>es Denkmals für<br />

1813 noch e<strong>in</strong>mal aktualisiert. 540 Delegierte aus 214 deutschen Städten, "die<br />

Vertreter des deutschen Bürgertums", feierten <strong>in</strong> Leipzig die 50. Wiederkehr<br />

der Schlacht, <strong>und</strong> am <strong>19.</strong> 10. wurde der Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong> zu dem so lange geplanten<br />

"großartigen <strong>Nationaldenkmal</strong>" gelegt. Hier dom<strong>in</strong>iert die gegen dynastische<br />

Reaktion <strong>und</strong> gegen den Deutschen B<strong>und</strong> gerichtete lib~~~l-konstitutionelle Nationali.dee.<br />

"Möge bald e<strong>in</strong> neues Reich deutscher NatIon- erstehen, möge endlich<br />

der"i'n E<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> Freiheit sich konstituierenden Nation auch der deutsche<br />

Fürst offenen S<strong>in</strong>ns <strong>und</strong> tapferen Herzens nicht fehlen, der sich nicht scheut<br />

vor dem vollen Tropfen demokratischen DIs, mit welchem er gesalbt se<strong>in</strong><br />

muß", <strong>und</strong> es ist das deutsche Volk, "das'·als Träger der Vergangenheit <strong>und</strong> der<br />

Zukunft gefeiert wird. Aber dazu tritt nun e<strong>in</strong> neuer Akzent, der e<strong>in</strong>e Veränderung<br />

des Nationalbewußtse<strong>in</strong>s anzeigt, das ist der Gedanke der Macht. Wir<br />

"feiern heute", so heißt es <strong>in</strong> der Rede des Leipziger Oberbürgermeisters, "die<br />

Selbstherrlichkeit deutscher Nation ... welche uns wieder e<strong>in</strong>führen soll <strong>in</strong> die<br />

Reihe der Völker, die da mit zu entscheiden haben über die Geschicke der<br />

Welt", Wunsch <strong>und</strong> Hoffnung gilt, "dem endlichen Siege des deutschen Volkes<br />

<strong>im</strong> R<strong>in</strong>gen nach nationaler Macht <strong>und</strong> Größe, E<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> Freiheit", das sei<br />

das Vermächtnis der Generation von 1813, das sei die Mahnung des künftigen<br />

Denkmals für die Lebenden <strong>und</strong> die Kommenden 92 • Aber die Ereignisse der<br />

60er Jahre begruben diese Pläne, <strong>und</strong> als sie <strong>in</strong> den 90er Jahren wieder hervortraten,<br />

hatten sie e<strong>in</strong>e ganz andere politische Funktion gewonnen.<br />

Die nationaldemokratische <strong>und</strong> liberalnationale Bewegung hat sich selbst bis<br />

1871 kaum e<strong>in</strong> Denkmal gesetzt <strong>und</strong> als Opposition auch nicht setzen können.<br />

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