Heimat-Rundblick Nr. 106 herbst 2013

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Skulpturen am Bremer Dom Vier Evangelisten, symbolisch dargestellt, vier Bauhandwerker als Konsolfiguren Der Bremer Dom soll als Europäisches Kulturerbe eingestuft werden, die Bewerbung für dieses Siegel hat der Bremer Senat auf 30 Seiten bei der Kultusministerkonferenz eingereicht. Unter diesem Gesichtspunkt wird der Heimat-Rundblick unseren Dom genauer in Augenschein nehmen. Betritt man den Bremer Dom,… – Wer über vier wunderschöne und aussagekräftige Skulpturen als Schmuck dieses Baudenkmals berichten möchte, der ist schon einige Schritte zu weit gegangen! Denn an der Schauseite des Doms, ab einer Höhe von ca. 12 m, rund um die Fensterrosette, die selbst einen Durchmesser von ca. 8 m hat, sieht man vier Skulpturen, deren Schönheit und Vielfältigkeit erst mit dem Fernglas deutlich wird. Man muss den Kopf schon in den Nacken legen, um in den Figuren die Symbole der vier Evangelisten zu erkennen. Jeder trägt sein von ihm verfasstes Evangelium in Buchform bei sich und ist „beflügelt“. Kaum beachtet Matthäus, Apostel, wird als „Mensch“ dargestellt. - Unter der Konsole: Der Steinmetz Nach der Ausarbeitung über die Skulpturen am Rathaus (Heimat-Rundblick Nr. 102) bietet sich die Gelegenheit, diese hervorragend gefertigte Figurengruppe unseren Lesern vorzustellen. Vor dem Beginn des Artikels ist eine gründliche Recherche zum Thema und zu den Einzelheiten erforderlich, so auch in diesem Fall. Doch trotz eingehender Suche konnte keine Quelle ausfindig gemacht werden, die sich bereits mit diesem Werk beschäftigt hat. So blieb nur das Dommuseum und hier die Leiterin, Frau Dr. Weyh. Doch auch sie musste feststellen, dass es bisher keine Erklärung oder Magisterarbeit zum Thema gab. So bleibt nur ein völliger Neuanfang, der natürlich auf sehr dünnem Eis gebaut ist, eine Herausforderung. - Trotz gründlicher Suche konnte keine ähnliche Arbeit eines Bildhauers in unserem Bereich nachgewiesen werden. Es werden zwei unterschiedliche Formen für die Anordnung der Symbolfiguren aufgezeigt. Das Bremer Modell, wie man es z.B. bei der Kathedrale von Chartres [Frankreich] findet, sieht so aus: Johannes, ebenfalls Apostel, der „Adler“. - Unter ihm: Der Schmied Mensch Adler Markus, der sein Material von Petrus bekam, ist der „Löwe“. - Konsolfigur: Der Baumeister Löwe Stier Lukas, Arzt und Begleiter des Apostel Paulus, der „Stier“. - Darunter: Der Zimmermann 8 RUNDBLICK Herbst 2013
[Die Sinnbilder der Evangelisten sind auf folgende biblische Bücher zurückzuführen: Ezechiel 1, 5 ff. und Offenbarung des Johannes (Apokalypse des Johannes) 4.6 ff.]. Die Autoren der vier Evangelien beschrieben das Leben Jesu Christi, wie wir es im Neuen Testament nachlesen können. Wir legen unser Augenmerk auf die Konsolen, deren Ausführung denen unter den Skulpturen am Rathaus verblüffend ähnelt, jedoch eine Auswahl der am Bau beteiligten Handwerker zeigt. Drei der Konsolfiguren sind schnell und eindeutig an ihrem Werkzeug zu erkennen und einem Beruf aus der Baubranche zuzuordnen: Markus der Löwe mit dem Baumeister [Setzwaage, historischer Vorläufer der Wasserwaage]; Matthäus der Mensch und der Steinmetz [Hammer und Meißel]; Johannes als Adler hat den Schmied unter sich [Zange und Hammer]; Lukas der Stier, er bereitete die größten Schwierigkeiten. Eine Beilaxt, die im Mittelalter der Zimmermann benutzte, wurde erst nach mehreren Versuchen erkannt. - Es sind naturgetreue Abbilder, mit denen der Bildhauer die am Bau beteiligten Handwerker ehrt. Stehen die Skulpturen wirklich im Mittelpunkt des Interesses, sind es die Konsolfiguren, die rätseln lassen? Vor 600 Jahren … Zum Alter der Skulpturen kann man zuerst die Feststellung treffen, dass sie in einer Zeit gefertigt wurden, als der Dom noch katholisch geführt wurde. Die vier Evangelisten in symbolischer Form darzustellen, passt nicht zum evangelischen Glauben. Die Reformation begann in Bremen im Jahre 1522 mit dem Besuch des Reformators Heinrich von Zütphen, dessen Rede vom Erzbischof stark kritisiert wurde. Ab 1524 wurden neben den katholischen Priestern an den Pfarrkirchen evangelische Prediger eingesetzt. Somit muss man feststellen, dass die Schaffung der vier Evangelisten vor dieser Zeit liegen muss. Denn solch ein Werk wäre von der Domfabrik nach der Reformation wohl kaum in Auftrag gegeben worden. Diese Annahme wird auch durch die Datierung von Kunstwerken zum Thema „Evangelisten in symbolischer Form“ untermauert. Emil Waldmann weist in seinem Buch „Die gotischen Skulpturen am Rathaus zu Bremen und ihr Zusammenhang mit kölnischer Kunst, 1908“ in einer Fußnote auf S. 6 auf folgende Besonderheit hin: „Auch die Zahl der Standbilder war ursprünglich größer als heute. Es findet sich im Rechnungsbuch ein weiterer Posten für weitere vier Statuen (p.69. Z. 1), die vermutlich an der (nördlichen) Rückseite aufgestellt und wahrscheinlich ebenfalls von Meister Johannes gearbeitet waren. Aber es fehlt von ihnen jede Spur, literarisch weiß man sonst nichts von Ihnen, eine alte Abbildung von dieser Seite des Rathauses ist RUNDBLICK Herbst 2013 Dom um 1910 nicht bekannt, und so mögen sie im Lauf unserer Untersuchung übergangen werden.“ – Übersetzt aus dem Rechnungsbuch Rathaus [Auszug]: „Von den 4 Bildern, die wir Hanse [Johannes] abkauften. Dem Hanse dem Bildhauer 92 Gulden für Bilder, Baldachin und Sockel, für jedes Bild 23 Gulden samt dem Zubehör.“ In der Übersetzung zu diesem Text sind folgende Bemerkungen auffällig: „Das vorliegende Konto redet insbesondere von 4 Steinbildern die Meister Johannes allein beschaffte; ihr Preis ist dem vorstehenden 16 gleich. Es wurde dafür ein besonderer (oder mehr!?) Stein gebraucht, und scheint Meister Johannes zum dritten Male wegen Graustein fort gewesen zu sein. Auch hier ist keine Rede davon, wo derselbe gekauft und was er gekostet; nur der Transport vom Schiffe zur Werkstatt wird erwähnt.“ Vier Skulpturen verschwunden Bild: Focke-Museum Man darf der so getroffenen Aussage entnehmen, dass diese 4 Skulpturen nicht von vornherein geplant waren! Denn das Heranschaffen des Materials war sehr zeitaufwendig, und Meister Johannes hätte die für diese 4 Skulpturen erforderliche Menge Stein mit seiner Erfahrung sicher beim vorherigen Kauf einschätzen können. Da der Einzelpreis der vier Skulpturen exakt dem der bereits gelieferten 16 „Bilder“ entspricht, darf man davon ausgehen, dass Größe und Ausstattung aller Figuren in etwa gleich ist. Kommt man auf Emil Waldmann zurück, so ist verblüffend, dass diese am Dom befindliche Gruppe der vier Evangelisten von der Anzahl der Figuren genau der als verlustig angesehenen entspricht, die nicht aufzufinden sind. Doch Waldmann äußert auch den Verdacht, dass diese Skulpturen eventuell an der Rückseite des alten Rathauses bis zum Bau des neuen Rathauses angebracht waren. Die Planung des neuen Rathauses fällt in die Zeit ab 1898, die Arbeiten am Dom werden ab 1889 verwirklicht. Auf dem Entwurf von Max Salzmann sind die Skulpturen nicht zu finden, waren also nicht eingeplant. Auf einem Foto [Ausschnitt] um 1910 sind die 4 Evangelisten zu sehen, tragen aber bereits eine deutlich erkennbare Schicht dunkler Patina. Die genaue Betrachtung der Fotos der Dom-Schauseite fordert sofort einen Vergleich mit den Skulpturen und Konsolen am Rathaus heraus! Doch nur ein Zentimeter genauer Vergleich der Konsolplatten in Form eines begonnenen Achtecks könnte ein weiteres Indiz liefern, dass es sich um einen Bildhauer handelt, nämlich Meister Johannes, der sowohl die Skulpturen vom Rathaus als auch am Dom geschaffen hat. Diese neuen Erkenntnisse stellen eine Herausforderung für Studenten und deren Professoren der Bremer Hochschule für Kunst sowie der Bremer Universität dar, selbstverständlich bleibt der Heimat-Rundblick an diesem spannenden Thema dran. - Beim Nachschauen, vergessen Sie bitte Ihr Fernglas nicht! Text und Fotos: Harald Steinmann „Landschaft Worpswede 2014“ Frisch gedruckt kommt der Kalender „Landschaft Worpswede 2014“ von Horst Wöbbeking im Oktober in den Buchhandel. Mit 13 neuen Fotografien des Worpsweder Fotografen zeigt der Kalender die vielseitige Landschaft um Worpswede und das Teufelsmoor. Im Format 45 x 50 cm ist so ein Landschaftsporträt entstanden, welches den Charme der Region zu allen Jahreszeiten zeigt. Erhältlich im Buchhandel und bei Horst Wöbbeking, Tel.: 04792 / 952148. 9
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