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Heimat-Rundblick Nr. 106 herbst 2013

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Von 13 Freiwilligen aus Hawaii, Indonesien,<br />

den USA, Frankreich, England, der<br />

Schweiz und Deutschland wurde vor allem<br />

Ödland auf dem Gelände des ehemaligen<br />

Marinetanklagers kultiviert. Die Freiwilligen<br />

warfen niedrige Sanddämme auf und<br />

schufen Rieselfelder, die später mit Abwässern<br />

berieselt wurden. So wurden in den<br />

Folgejahren mehrere Hektar Ödland, auf<br />

denen noch einige der von den Alliierten<br />

nach dem Krieg gesprengten Ölbunker<br />

standen, zu fruchtbarem Acker. Die Felder<br />

dienten dann zunächst dem Hospital zum<br />

Kartoffel-, Gemüse- und Getreideanbau<br />

zur Eigenversorgung und wurden später<br />

Flüchtlingsbauern übergeben.<br />

Im April 1954 führte der IZD sein drittes<br />

Lager in Neuenkirchen durch; es war dort<br />

zugleich das erste Jugendlager. Die<br />

Jugendlichen, die aus mehreren Ländern<br />

kamen, kultivierten ebenfalls Ödland für<br />

das Hospital. Im Oktober des gleichen Jahres<br />

folgte ein weiteres Lager des IZD in<br />

Neuenkirchen; diesmal halfen die Freiwilligen<br />

bei der Kartoffelernte für das Hospital.<br />

Weitere Lager des Internationalen Zivildienstes<br />

in Neuenkirchen fanden unter<br />

anderen im April und im August 1957<br />

sowie im Juli 1961 statt. An dem Lager im<br />

August 1957 nahmen 20 Freiwillige aus<br />

sechs Ländern teil; sie „retteten die Erbsenund<br />

Bohnenernte“ des landwirtschaftlichen<br />

Eigenbetriebs des Hospitals in Neuenkirchen,<br />

die infolge von nassem Wetter<br />

zu verderben drohte. Aufgrund des „Wirtschaftswunder“-Booms<br />

in Westdeutschland<br />

hatte das Hospital keine zusätzlichen<br />

Arbeitskräfte für die Ernte gewinnen können<br />

und deshalb den IZD um Hilfe gebeten.<br />

Das letzte IZD-Lager in Neuenkirchen<br />

fand im Herbst 1962 statt; die Freiwilligen<br />

halfen wiederum bei der Kartoffelernte<br />

sowie bei der Pflege und Versorgung von<br />

geriatrischen Patienten des Hospitals. Zu<br />

den Teilnehmern gehörte auch der damals<br />

20-jährige Teilnehmer David Palmer aus<br />

England, der danach längere Zeit beim SCI<br />

aktiv war und bei Arbeitseinsätzen in verschiedenen<br />

Ländern mitwirkte. Er<br />

beschreibt in seinen Erinnerungen, die in<br />

der 2008 vom SCI herausgegebenen, englisch-<br />

und französischsprachigen Anthologie<br />

„Breaking Down Barriers 1945–1975“<br />

mit veröffentlicht wurden, die Freiwilligenarbeit<br />

im Neuenkirchener Hospital wie<br />

folgt:<br />

„Most of our work was dirty, and in<br />

some way or other, hard on one’s nervous<br />

system. Though officially called a ‘hospital’<br />

it was much more like a ‘hospice’.”<br />

(Deutsch: „Der Großteil unserer Arbeit<br />

war eine sehr schmutzige, die in der einen<br />

oder anderen Weise hart an unseren Nerven<br />

zerrte. Obwohl offiziell als ‘Hospital’<br />

bezeichnet, war es eher so etwas wie ein<br />

‘Hospiz’.“)<br />

Von 1948 bis 1962 führte der Internationale<br />

Zivildienst insgesamt 16 Lager im<br />

Evangelischen Hospital Neuenkirchen<br />

durch; hinzu kamen einige Langzeit-<br />

Arbeitseinsätze von einzelnen Freiwilligen.<br />

Neben dem IZD waren im Neuenkirchener<br />

Hospital auch noch andere internationale<br />

Hilfsorganisationen tätig, die in der Nachkriegszeit<br />

in mehreren europäischen Ländern<br />

Hilfs- und Arbeitsprojekte kostenlos<br />

ausführten, wie zum Beispiel aus den USA<br />

der zivile Friedensdienst der Quäker, das<br />

American Friends Service Committee<br />

(AFSC), oder die Brethren Church Commission,<br />

die der Church of Brethren<br />

(deutsch „Kirche der Brüder“) angehörte.<br />

„Auf den Spuren<br />

der Vorgänger“<br />

Mit der Erntehilfe von 1962 endeten die<br />

Arbeitseinsätze des Service Civil International<br />

(SCI) bzw. des Internationalen Zivildienstes<br />

in Neuenkirchen. Mehr als 50<br />

Jahre danach – und genau 65 Jahre nach<br />

dem ersten Arbeitseinsatz des Freiwilligendienstes<br />

in der Neuenkirchener Heide –<br />

besuchte im Juli <strong>2013</strong> eine Gruppe von<br />

Freiwilligen des SCI den Einsatzort „ihrer<br />

Vorgänger“. Bei den 13 jungen Frauen und<br />

Männer aus acht Ländern handelte es sich<br />

um Teilnehmer eines internationalen<br />

Workcamps, die für zwei Wochen auf dem<br />

Gelände des Bunkers „Valentin“ im<br />

benachbarten Bremen-Farge arbeiteten.<br />

Die Freiwilligen aus Deutschland, Spanien,<br />

Holland, der Tschechischen Republik, Serbien,<br />

der Republik Moldau, Russland und<br />

Taiwan legten auf dem Außengelände des<br />

Bunkers eine verschüttete ehemalige<br />

Beton-Mischanlage frei, um so Spuren der<br />

Zwangsarbeit auf der ehemaligen U-Boot-<br />

Bunkerwerft sichtbar zu machen.<br />

Organisiert wurde das Workcamp von<br />

der im Aufbau befindlichen Gedenkstätte<br />

Denkort Bunker Valentin in Zusammenarbeit<br />

mit dem Freiwilligendienst Service<br />

Civil International (SCI – Deutscher Zweig)<br />

und der Bremer Landesarchäologie. Das<br />

von den Workcamp-Teilnehmern bearbeitete<br />

Projekt ist Teil eines Rundweges, der<br />

zurzeit erstellt wird. Der Denkort Bunker<br />

Teilnehmer eines jüngsten SCI-Workcamps beim<br />

Denkort Bunker Valentin in Bremen-Farge bei<br />

ihrem Besuch der Gedenkstätte Baracke Wilhelmine<br />

im benachbarten Schwanewede-Neuenkirchen<br />

(Juli <strong>2013</strong>)<br />

Valentin will 22 Stationen an dem Betonkoloss<br />

schaffen, die ab 2015 den Besuchern<br />

der Farger Gedenkstätte die<br />

Geschichte des Bunkerbaus und der<br />

Menschen, die dafür leiden und sterben<br />

mussten, vor Augen führen.<br />

Während ihres Aufenthalts besichtigten<br />

die Workcamp-Teilnehmer verschiedene<br />

Gedenkstätten und weitere Orte der NS-<br />

Zwangsarbeit in Bremen und der Region<br />

und tauschten sich mit Initiativen aus. So<br />

besuchten sie auch den Dokumentationsund<br />

Lernort Baracke Wilhelmine, der sich<br />

auf dem ehemaligen Lager-, Hospital- und<br />

Kasernengelände in Schwanewede-Neuenkirchen<br />

befindet, und informierten sich<br />

bei einer Führung durch die Ausstellungsräume<br />

der Gedenkstätte über die<br />

Geschichte der Region und des Areals<br />

einschließlich der Historie des Neuenkirchener<br />

Hospitals.<br />

Beim anschließenden Gedankenaustausch<br />

mit den ehrenamtlichen Mitarbeitern<br />

der Baracke Wilhelmine präsentierten<br />

diese der internationalen Besuchergruppe<br />

das Ergebnis der eigens vorgenommenen<br />

kleinen Recherche nach den früheren<br />

Arbeitseinsätzen des Service Civil International<br />

bzw. des Internationalen Zivildienstes<br />

im ehemaligen Evangelischen Hospital<br />

Neuenkirchen. Die jungen Teilnehmer des<br />

SCI-Workcamps vom Juli <strong>2013</strong> in Bremen-<br />

Farge zeigten sich beeindruckt von der<br />

eigenen Ortsgeschichte ihrer Freiwilligenorganisation<br />

und waren durchaus stolz auf<br />

die Leistungen ihrer Vorgänger.<br />

Text: Dokumentations- und Lernort Baracke<br />

Wilhelmine / Horst Plambeck<br />

Standort:<br />

An der Kaserne 122,<br />

Schwanewede-Neuenkirchen<br />

Führungen nach Absprache, Termine können<br />

unter Tel. 04 21 - 68 34 99 oder mobil<br />

01 62 - 973 13 38 (Harald Grote) vereinbart<br />

werden.<br />

Website: www.baracke-wilhelmine.de<br />

Abbildungen:<br />

Logos, Flugblatt und historische Fotos – SCI<br />

bzw. IZD: SCI Archives<br />

Historisches Foto – Ev. Hospital Neuenkirchen:<br />

Archiv der Baracke Wilhelmine<br />

Farbfoto – SCI-Workcamp <strong>2013</strong>: Landeszentrale<br />

für politische Bildung Bremen/Denkort<br />

Bunker Valentin<br />

Quellenangabe:<br />

Websites des SCI und des SCI – Deutscher<br />

Zweig (www.sci-d.de)<br />

Dokumente zu IZD-Lagern etc. bei SCI Archives<br />

(www.archives.sciint.org)<br />

SCI (Hrsg.), Olivier Bertrand (Bearb.): “Breaking<br />

Down Barriers 1945–1975. 30 years of<br />

voluntary service for peace with Service Civil<br />

International”. SCI, 2009<br />

Digitales Zeitungsarchiv der Bremer Tageszeitung<br />

„Weser-Kurier“<br />

Archivunterlagen der Baracke Wilhelmine<br />

28 RUNDBLICK Herbst <strong>2013</strong>

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