Heimat-Rundblick Nr. 106 herbst 2013
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Vor 100<br />
Jahren ...<br />
<strong>Heimat</strong>rückblick:<br />
Presseberichte von<br />
Juli bis September 1913<br />
Wieder einmal können heutige Leser der<br />
damaligen Zeitungsausgaben das Erstaunen<br />
der Menschen in jener Zeit über für sie<br />
noch Ungewohntes und Neues nachvollziehen.<br />
Allein vier Berichte über die noch<br />
junge Fliegerei (wobei die Namen der Piloten<br />
ebenso erwähnt werden wie die Startund<br />
Landeplätze!) beinhalten Ereignisse,<br />
die uns heute so geläufig sind, dass sie keiner<br />
Erwähnung mehr bedürfen. Zwei<br />
Berichte dazu unterstreichen aber auch die<br />
Bedeutung, die der Verfasser der damaligen<br />
Texte dieser neuen Entwicklung beimisst.<br />
Von Veränderungen in jenen Tagen,<br />
ob Weservertiefung, Verlegung des Bremer<br />
Freimarktes oder auch in der Mode, wird<br />
ebenso berichtet, wie das, was unsere Vorfahren<br />
aus dem Leben ihrer Zeitgenossen<br />
erfahren, auch über die nicht immer rechtmäßig<br />
handelnden….<br />
Weservertiefung erregt<br />
Widerspruch<br />
Landkreis. „Der Plan des Bremer Staates,<br />
die Weser wieder um mehrere Meter<br />
zu vertiefen, hat unter den Grundbesitzern<br />
hiesiger Gegend allgemein Widerspruch<br />
erregt. Sie befürchten von der Tieferlegung<br />
des Weserbetts, die den Grundwasserstand<br />
weiter senken würde, eine Schädigung<br />
ihres größtenteils in Wiesenland<br />
bestehenden Grundbesitzes. Bekanntlich<br />
hat die vor Jahren erfolgte Begradigung<br />
und Vertiefung der Weser schon eine<br />
wesentliche Veränderung der Wasserverhältnisse<br />
in hiesiger Gegend herbeigeführt.<br />
Um über die gegen den neuen Plan<br />
erhobenen Einsprüche zu verhandeln,<br />
fand heute im Murkenschen Gasthause in<br />
Lilienthal unter Vorsitz des Landrats eine<br />
Versammlung der Landwirte des Truper<br />
und St. Jürgenslandes statt, an welcher<br />
Vertreter des Bremer Staats und der Regierung<br />
in Stade teilnahmen. Auch die<br />
Wörpe-Schifffahrtsgenossenschaft, welcher<br />
die Ausführung des Planes neue Opfer<br />
durch Tieferlegung der Unterwörpe auferlegt,<br />
und andere Beteiligte waren in der<br />
Versammlung vertreten. Die Einsprüche<br />
aller Beteiligten wurden zu Protokoll<br />
genommen. Sie verlangen, im Falle daß<br />
die Weser vertieft wird, Schadenersatz und<br />
den Bau einer Schleuse in der unteren<br />
Wümme, die den Wasserstand regelt. Die<br />
Bremer Vertreter verhielten sich diesen Forderungen<br />
nicht sehr entgegenkommend.<br />
Es wird wohl noch langwieriger Verhandlungen<br />
bedürfen, ehe diese Frage zur<br />
Befriedigung aller Beteiligten gelöst ist.“<br />
Staunen über fliegende<br />
Maschinen und „Aviatiker“<br />
Osterholz-Scharmbeck. „Eine freudige<br />
Überraschung wurde am Dienstagmorgen<br />
kurz nach 1/2 11 Uhr vielen hiesigen Einwohnern,<br />
die in der Hammeniederung<br />
beim Heuen beschäftigt waren, zuteil. In<br />
das Geräusch der arbeitenden Maschinen<br />
mischte sich plötzlich ein anderes, stärkeres,<br />
und als man in die Höhe sah, bemerkte<br />
man eine Flugmaschine mit großer<br />
Geschwindigkeit aus der Richtung von<br />
Worpswede kommen. Der Apparat befand<br />
sich immerhin noch einige hundert Meter<br />
hoch, machte aber durch das heftige<br />
Geräusch seines Propellers Pferde und Rinder<br />
auf der Weide scheu. Nach verhältnismäßig<br />
kurzer Zeit war der Aeroplan den<br />
Blicken der Beobachter entschwunden.<br />
Auch in Ritterhude und Burglesum sah<br />
man den Eindecker in großer Höhe bei<br />
voller Fahrt auf Bremen zu verschwinden.<br />
Es handelt sich vermutlich um den<br />
berühmten französischen Aviatiker Brindejonc,<br />
der, von Kopenhagen kommend, in<br />
früher Morgenstunde in Hamburg eine<br />
Zwischenlandung vornahm, aber nach<br />
kurzer Pause wieder zur Weiterfahrt aufstieg.“<br />
Im August ist zu diesen in jener Zeit<br />
noch „aufregenden“ Beobachtungen Folgendes<br />
zu lesen:<br />
Bremen. „Bremen wird jetzt fast täglich<br />
von Fliegern besucht. Die beiden Militärflieger<br />
Leutnant Engwer und Oberleutnant<br />
Braemer sind heute morgen vom Neuenlander<br />
Feld wieder aufgestiegen und<br />
nach dem Lockstedter Lager zurückgeflogen,<br />
wo sie kurz vor 8 Uhr eintrafen. Am<br />
Sonntag wurden mehrere französische<br />
Flieger erwartet, die von Paris nach Berlin<br />
fliegen wollten. Zwischen 7 und 8 Uhr<br />
abends wurde über Lankenau auch ein<br />
Flugzeug gesichtet, das von Südwesten<br />
kam, aber bald im Nordosten wieder verschwand.<br />
Das Flugzeug hat auf einer Wiese<br />
in Teufelsmoor eine Notlandung vornehmen<br />
müssen. Es soll leicht beschädigt sein.<br />
Der Flieger, ein Franzose, der sich mit den<br />
herzueilenden Landleuten nicht verständigen<br />
konnte, ist Sonntagabend mit der<br />
Bahn nach Bremen gefahren, um dort zu<br />
übernachten.“<br />
Von Gaunern<br />
und Lebensrettern<br />
Hagen. „Daß man trotz der hohen<br />
Lederpreise auch noch billig Schuhe kaufen<br />
kann, zeigten vor ein paar Tagen drei<br />
junge Burschen, die sich als Handelsleute<br />
ausgaben, in Dorfhagen. Sie boten bis herunter<br />
zu 1,50 Mark Stiefel an, die sonst den<br />
10fachen Betrag kosten. Den Einwohnern<br />
fiel der billige Preis auf, denn die Leute<br />
sahen nicht so aus, als wenn sie hexen<br />
16 RUNDBLICK Herbst <strong>2013</strong>