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UTE KLOPHAUS<br />

GALERIE MZ 25. APRIL BIS 24. MAI 2013<br />

FOTOGRAFIEN<br />

Als große Kostbarkeit und bislang völlig unbekannt, werden heute Abend 35 Fotografien<br />

<strong>von</strong> Ute Klophaus gezeigt. Sie stammen aus einer Werkarbeit mit insgesamt 137<br />

Aufnahmen und entstanden im April 1974.<br />

Nähern wir uns zunächst ohne Vorwissen rein betrachtend, so können wir aus der jetzigen<br />

Hängung eine Geschichte erahnen, <strong>die</strong> in den Fotografien erzählt wird. Diese Geschichte<br />

folgt aber nicht wirklich traditionellen Mustern, indem eine zeitlich bestimmbare Sequenz<br />

auf <strong>die</strong> nächste folgt. Vielmehr ähnelt sie der Gestaltung einer Partitur, in der ein<br />

vielstimmiger, zusammenspielender Klang ein letztlich Ganzes ergibt. Dieser Eindruck<br />

wird durch <strong>die</strong> Hängung in zwei oder auch drei Ebenen übereinander unterstützt.<br />

Verschiedene Erzählstränge sind in <strong>die</strong>ser Partitur verwoben. Zunächst geht es <strong>um</strong> ein<br />

Geben und Nehmen, wie wir es in der Fotografie sehen können, wo ein kleines Mädchen<br />

einer kräftigen Hand Bl<strong>um</strong>en reicht. Ein stärkeres symbolisches Bild könnte es ka<strong>um</strong><br />

geben. In sich versunken, ganz entspannt ist das Kind, doch ist es sicher in seinem Tun.<br />

Diese Unmittelbarkeit ist in der Dichte des Augenblicks enorm und steht für das<br />

fotografische Werk <strong>von</strong> Ute Klophaus. Die Szene kann weder einstu<strong>die</strong>rt noch gestellt<br />

werden. Ute Klophaus scheint sie geahnt zu haben, als sie bereit stand und auf den<br />

Auslöser drückte. Aus einem steten Fluss einer Handlung heraus wird ein Moment im<br />

Bruchteil einer fotografischen Sekunde eingefangen. Der Bl<strong>um</strong>enstrauß als Sinnbild für<br />

Leben und Vergehen wird <strong>von</strong> einem Kind in einem Garten weitergereicht, der in unserem<br />

Bildgedächtnis als heiler Ort, als Ort der Ruhe und Sicherheit gilt.<br />

Alle Fotografien nehmen in gestischen und symbolischen Akten Bezug zu <strong>die</strong>sem Ort,<br />

einem Garten. Das an einen zarten Ba<strong>um</strong>stamm mit einem Messer geheftete Blatt Papier<br />

zeigt einen Mönch, Dominikus, den Gründervater des Dominikanerordens, ausgeschnitten<br />

aus der Tagespresse vom 2. März 1974. Ein Fragment eines hölzernen <strong>Dr</strong>eipasses verweist<br />

auf einstmals neben dem Garten stehende, abgebrochene Dominikanerklosterkirche. Es<br />

knüpft als Relikt aus einer vergangenen Zeit, Gegenwart und Erinnerung an einen Ort. Die<br />

festgenähte Muschel erinnert an den Brauch, Pilgerzeichen an <strong>die</strong> Mütze oder das Gewand<br />

zu nähen, das den Träger als Pilger auswies und so vor den Gefahren auf seinem langen<br />

Weg schützen sollte. Das Unterwegssein bedeutet zugleich aber auch ohne Heimat zu<br />

sein.<br />

Ute Klophaus hat in <strong>die</strong>sen Fotografien eine Aktion festgehalten, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Geschichte des<br />

Ortes z<strong>um</strong> Inhalt hat. Den Protagonisten werden Sie vielleicht erkannt haben. Klophaus<br />

hat Jonas Hafners Cephyr-Aktion vom 10. April 1974, <strong>die</strong> sich im Garten des ehemaligen<br />

Dominikanerklosters in Düsseldorf, etwa ein Jahr nach dem Abbruch <strong>von</strong> Kirche und<br />

Kloster, abgespielt hat, fotografiert. Doch sind <strong>die</strong> Fotografien weder eine Dok<strong>um</strong>entation<br />

der Aktion noch Schnappschüsse eines beliebigen Zufalls. Vielmehr eröffnet <strong>die</strong><br />

Fotografin der Fotografie eine dritte Dimension zwischen den Polen Schnappschuss und<br />

fotografischer Inszenierung. Die Fotografien wirken so, als ob <strong>die</strong> Fotografin den nächsten<br />

Augenblick erspüren konnte, als habe sie eine Ahnung da<strong>von</strong> gehabt, was als nächstes<br />

kommt. Ute Klophaus Fotografien dok<strong>um</strong>entieren nicht, sondern geben Stimmungen eines<br />

dahinfließenden Augenblicks wieder. Ihre Gabe war es, entscheidende Momente<br />

vorauszuspüren, was als nächstes kommt, <strong>die</strong> nächste Geste, <strong>die</strong> nächste Handlung. In der<br />

Vorausahnung eines Augenblicks, weil <strong>die</strong> Partitur eben eine bestimmte Sequenz


erzwingt, schafft sie mit der Fotografie etwas Einzigartiges: eine spürbare Gegenwart <strong>von</strong><br />

Handlungen, <strong>die</strong> kommen, da sind und vergehen.<br />

Ihre ausschnitthaften Lichtbilder lenken den Blick über das Atmosphärische hinaus auf<br />

Einzelheiten. Dinge, Gesten, Zuordnungen sind auf geheimnisvolle Weise miteinander<br />

verwoben und geben sich nicht einer auf Bewegung konzentrierten Betrachtung hin. Ute<br />

Klophaus stellt Bezüge her zwischen den Gegenständen und den Gesten, Handlungen, <strong>die</strong><br />

keine alltäglichen, sondern individuelle Mythologien sind. Sie entwickelt ihren eigenen<br />

ästhetischen Ausdruck, formuliert ihre Sicht, <strong>die</strong> jeder Art gegenständlicher Fixierung<br />

widerspricht. Damit bewahrt sie ein Werk, das einmalig und unwiderholbar ist und nur in<br />

ihrer Bildsprache erlebt werden kann.<br />

Wenn man <strong>die</strong> Fotografien nochmals als Partitur z<strong>um</strong> Erklingen bringt, so können wir<br />

weitere Erzählstränge entdecken, z.B. in den alten Kanontafeln, eines der wenigen<br />

Objekte, <strong>die</strong> den Abbruch der alten Kirche überlebt haben, und nun aus dem Kontext<br />

gerissen und unbrauchbar geworden sind. Weitere Themen sind das Mädchen mit dem<br />

Spiegel oder das in der Wiese liegende, aus Brot, Tuch und <strong>Dr</strong>aht gewickelte „Lamm“, ein<br />

uraltes Symbol für das Opfer und <strong>die</strong> Mahlgemeinschaft. Der Verlust <strong>von</strong> Kirche und<br />

Kloster als spiritueller Ort, aber auch als ein Ort religiöser und philosophischer Ideen und<br />

Gedanken kommt eindringlich in dem zeichenhaften Umgang mit einem Buch, der<br />

„S<strong>um</strong>ma Theologiae“ des Thomas <strong>von</strong> Aquin, z<strong>um</strong> Ausdruck. Durch das was <strong>von</strong> dem<br />

einstigen Ort übrig geblieben ist, geht sprichwörtlich der Wind, Cephyr“ hindurch. Der<br />

Mensch trägt an <strong>die</strong>sem Joch der verlorenen Verortung und landet in einer Sackgasse, wo<br />

es nicht mehr weitergeht und <strong>die</strong> Aktion in einem Niederknien endet.<br />

Ute Klophaus hat <strong>die</strong> Technik für <strong>die</strong> Lichtführung in ihren Fotografien bewusst<br />

eingesetzt. Die Gegensätze <strong>von</strong> Hell und Dunkel ist Laborarbeit, <strong>die</strong> Überbelichtung ist<br />

nicht in Kauf genommen, sondern bewusst gesetzt. Der Einsatz der Schwarzweiß-<br />

Fotografie, mit dem lichtempfindlichen Film, <strong>die</strong> eine Unschärfe und Grobkörnigkeit<br />

ergibt, ebenso wie <strong>die</strong> Abrisskante aller ihrer Fotografien, führen eine eigentümliche<br />

Distanz zu dem fotografierten Objekt herbei.<br />

Als künstlerisches Vermächtnis kann eine Einschätzung <strong>von</strong> Ute Klophaus selbst gelten,<br />

<strong>die</strong> sie zur Publikation frei gegeben hatte und mit der sie ihre Fotografie beschreibt:<br />

„War<strong>um</strong> ich photographie – Die Photographie ist für ich eine Möglichkeit, hinter <strong>die</strong><br />

Dinge zu schauen. Mich interessieren <strong>die</strong> Hintergründe. Der Apparat ist für mich nicht<br />

Zweck, sondern ich benutze ihn, <strong>um</strong> das Eigentliche zu sehen. Ich bin fast nie zufrieden<br />

mit meiner Photographie, denn es gelingt mir nur selten, das zu photographieren, was im<br />

Grunde nicht sichtbar gemacht werden kann.<br />

Ich lebe in einem Widerspruch: Eigentlich müsste derjenige, der so denkt sofort <strong>die</strong><br />

Photographie aufgeben, da er ständig Grenzen spürt. Und dennoch gibt <strong>die</strong> Photographie<br />

demjenigen, der sich ihr so aussetzt, <strong>die</strong> Möglichkeit, auf eine ganz besondere Weise zu<br />

denken, zu sprechen, zu analysieren, Sinnzusammenhänge zu erfassen, Hintergründe<br />

aufzuspüren, Grenzen zu erweitern. Die Photographie wird zu einer Quelle der<br />

Erfahrung.“<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Carmen</strong> <strong>Roll</strong>

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